Presseschau

Basler Zeitung vom 23.04.2018

Ein Spiel für den Torhüter

Tomas Vaclik rettet dem FCB in Sion einen Punkt – da macht es auch nichts, wenn mal ein Ball auf der Tribüne landet

Von Tilman Pauls, Sion

Fussball kann ein grausames Spiel sein; und noch ein bisschen grausamer ist es für den, der im Tor steht. Da ist man 90 Minuten lang auf sich alleine gestellt, wirft sich in jeden Schuss, jede Flanke und jeden gegnerischen Ellbogen – und am Ende bejubeln dann doch alle den Mittelfeldspieler, der in der 94. Minute den Ball von der Linie kratzt.

Aber Tomas Vaclik war in diesem Fall ganz glücklich, dass Raoul Petretta ihn in der allerletzten Aktion des Spiels zwischen dem FC Sion und dem FC Basel so tatkräftig unterstützte. Denn hätte Petretta den Schuss von Pajtim Kasami nicht abgewehrt, wäre Vacliks Arbeit völlig umsonst gewesen. Und es war ja nicht unbedingt wenig, was da beim 2:2 alles auf ihn zugeflogen kam.

14-mal kam der Ball in seine Richtung, elfmal musste Vaclik tatkräftig eingreifen – und einmal eben auf die Dienste Petrettas vertrauen. Es war also wenig verwunderlich, dass der Goalie nach dem Schlusspfiff sagte: «Das war eine sehr spektakuläre Partie. Ein Spiel, bei dem man als Trainer wohl durchdrehen muss.» Ein Spiel aber auch, in dem man sich als Torhüter endlich mal wieder richtig auszeichnen kann.

Die Gastgeber hätten ja schon vor der Halbzeit deutlich in Führung liegen können. Der Abschluss von Anto Grgic (20.), die beiden Versuche von Kasami (24., 26.) oder auch die Chancen von Ermir Lenjani oder Bastien Toma (30.): Jedes Mal brachte Vaclik ein Körperteil an den Ball. Erst beim Elfmeter kurz vor der Pause von Carlitos war er dann chancenlos. Und nach der Halbzeit sah es nicht viel anders aus: Die Walliser rannten an, während sich die Basler Defensive vor Vaclik phasenweise auflöste. «So viel zu tun wie heute hatte ich tatsächlich länger schon nicht mehr.»

Was bringt die Zukunft?

Und auch wenn es am Ende einen Feldspieler brauchte, um das Remis zu sichern, so hat in Wahrheit doch Tomas Vaclik dem FCB im Wallis einen Punkt gerettet – und diesen Satz konnte man in den letzten Monaten nicht allzu häufig über den 29-Jährigen lesen.

In der Champions League gehörte Vaclik im Herbst zwar auch zu den Spielern, die gegen Benfica Lissabon oder Manchester United über sich hinaus- wuchsen, aber in der Königklasse standen die Torschützen mehr im Rampenlicht als er. Aus den Spielen in der Super League blieben hingegen andere Szenen in Erinnerung: Meist sah das dann so aus, dass ein Verteidiger den Ball zu Vaclik spielte – und von dort flog dieser im hohen Bogen auf die Tribüne.

Natürlich weiss Vaclik, dass sein Spiel mit dem Ball am Fuss ein Thema ist. Natürlich hat er das gehört, wenn die Zuschauer aufstöhnten oder wenn sie ihre Hände verwarfen. «Ich habe es auch in Ihrer Zeitung gelesen», sagt der Torhüter. Allerdings kann er erklären, wo er die Gründe für den einen oder anderen Ball im Seitenaus sieht: «Es hat auch damit zu tun, dass wir einen etwas anderen Fussball spielen als in der letzten Saison. Das betrifft auch mich.»

Jetzt wird vom Tschechen verlangt, dass er bestenfalls am Ursprung eines Angriffs steht. Dass er das Risiko suchen soll. «Das klappt nicht immer, aber ich spiele trotzdem eine gute Saison.»

Dafür hat er tatkräftige Beweise: In 31 Liga-Spielen hat Vaclik 26 Gegentore kassiert, zwölfmal zu null gespielt. In dieser Hinsicht ist es sein bestes Jahr in der Schweiz. Und trotzdem kann man sich aktuell nur schwer vorstellen, dass im Sommer ein grosser Club beim FCB anruft und Vaclik abwerben will, so wie das im letzten Sommer mit Benfica der Fall war. «Keiner weiss, was passiert. Aber ich habe immer gezeigt, dass ich alles für den FCB gebe», sagt Vaclik. Die Frage ist nur, ob das auch der Verein so sieht, wenn es um dessen Planung geht.

Doch gestern hat Tomas Vaclik ja mal wieder bewiesen, dass er dem FCB zur Not auch im Alleingang einen Punkt retten kann. Und dass er einen wie Raoul Petretta dafür eigentlich gar nicht braucht.

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