Presseschau

Tages-Anzeiger vom 23.11.2017

Der Zauber ist zurück

Der FC Basel schlägt Manchester United 1:0 und spielt um die Achtelfinals der Champions League.

Florian Ráž Basel

Und da waren sie plötzlich wieder, diese engländerfressenden Basler. Da war er wieder, der Zauber des FCB, dem es eine teuflische Freude bereitet, wenn er Mannschaften ein Bein stellen kann, die mit Budgets operieren, gegen die der Schweizer Branchenriese wie ein winziger Gnom daherkommt. 1:0 gewinnt der FC Basel gegen Manchester United und hält damit den Glauben an die Achtelfinals der Champions League am Leben.

Die Entscheidung fiel in einem Moment, als einige der 36 000 im St.-Jakob-Park vielleicht bereits den Chancen nachtrauerten, die Basel in der zweiten Halbzeit hatte liegen lassen. Aber nicht die Spieler unten auf dem Rasen. Da tauchte in der 89. Minute erst Raoul Petretta links im Strafraum der United auf – und dann Michael Lang ganz nah am rechten Pfosten, wo er den Ball über die Linie drückte.

Es darf schon als Statement dieser FCB-Ausgabe verstanden werden, dass der linke und der rechte Aussenverteidiger kurz vor dem Abpfiff einer Partie gegen Manchester United so weit vorne auftauchen. Der 1:0-Sieg war deswegen auch der Lohn für immer mutiger auftretende Basler.

Und wenn es einen Gegner gibt, der so ein Ende verdient hatte, dann war es dieses pomadige Manchester, das scheinbar das Gefühl hatte, praktisch im Lehnstuhl zu einem Unentschieden kommen zu können. Spätestens als José Mourinho seinen Captain Paul Pogba durch Nemanja Matic ersetzt hatte, schien sein Team den Abpfiff kaum mehr erwarten zu können.

«Wir mussten gewinnen»

Der grimmige russische Winter mit seinen tiefen Temperaturen wollte es, dass die Ausgangslage schon vor dem Anpfiff in Basel feststand. Und das tat der Partie nicht nur gut. Nach der Meldung des frühzeitig angepfiffenen 2:0-Siegs für ZSKA Moskau gegen Benfica Lissabon wusste Manchester, dass es mit einem Unentschieden in Basel als Gruppensieger feststehen würde. Und die Basler? Wussten laut Michael Lang zwar, «dass wir gewinnen müssen und uns ein Unentschieden gar nichts bringt.» Aber den Mut, den mussten sie sich erst einmal erspielen.

Was wohl auch mit dem Namen des Gegners zu tun hatte. Wie ein Löwe, der gemütlich durch die Kalahari schlendert, wirkte so die United aus Manchester zunächst. Das sah fast etwas gelangweilt aus, aber trotzdem äusserst elegant, so denn der 100-Millionen-Euro-Mann Paul Pogba den Ball streichelte und manches Mal ganz lässig Renato Steffen abschüttelte, als sei der Basler Aggressivleader ein lästiger Chihuahua.

Vor allem aber mussten die Basler stets mit dem unguten Gefühl leben, dass der oberflächlich reichlich gemütlich wirkende Gegner irgendwann doch noch Lust verspüren könnte, ernsthaft zuzubeissen. Und tatsächlich, die Engländer kamen auch schlurfend zu ihren Chancen, Lukaku, Fellaini und Martial vergaben oder scheiterten an Goalie Tomas Vaclik, Martial und Rojo trafen die Torumrandung. «Wir hätten zur Pause 5:0 führen müssen», nörgelte Mourinho nach dem Spiel.

Aber für einmal war es nicht das grosse Team, das effizient spielte. Und das eröffnete dem FCB die Chance, zur Pause neu zu beginnen. Er nutzte die Gunst des Schicksals. Er biss sich in die Partie, er näherte sich dem gegnerischen Tor an: Oberlin, Lang mit einem Kopfball an die Latte, Steffen knapp vorbei. Und kaum hatte Basel die ersten Abschlüsse, da wachte auch das Publikum auf, das in diesem Stadion schon so viele magische Nächte erlebt hat. Schritt für Schritt nahm Basel den Mancunians das Spiel aus den Füssen. Und am Ende belohnten sie sich für ihren Effort.

«Wir können Könige werden»

«Wir haben diese Saison viel Kritik eingesteckt», sagte ein emotional sichtlich aufgewühlter Lang am Ende, «jetzt können wir Könige werden.» Dann nämlich, wenn der FCB tatsächlich zum dritten Mal die Achtelfinals der Champions League erreicht. Dazu müssen die Basler in ihrem letzten Spiel in Lissabon gleich viele Punkte machen wie Moskau in Manchester. Im besten Fall reicht also sogar eine Niederlage.

Zurück