Presseschau

NZZ vom 13.09.2017

Weit weg von alten Zeiten

Der FC Basel verliert das Champions-League-Spiel gegen Manchester United 0:3, lässt sich aber nicht gehen

Benjamin Steffen, Manchester

Als die Champions-League-Partie gegen Manchester United zu Ende war, nahm sich Raphael Wicky die verregnete Brille aus dem Gesicht, gratulierte dem prominenten gegnerischen Coach José Mourinho und wirkte etwas unschlüssig, ehe er aufs Feld marschierte. Er schüttelte seinen Spielern die Hand, einem nach dem anderen, es war wohl eine Mischung aus Gratulation und Aufmunterung – der FC Basel hatte 0:3 verloren, aber was wäre sonst möglich gewesen an diesem Abend, in diesen Tagen?

Schon nach knapp zwanzig Minuten hatte der FCB-Coach Wicky ein spontanes Motivations- und Weiterbildungsseminar abgehalten. Der United-Captain Paul Pogba musste gepflegt werden (und wurde später ausgewechselt), und Wicky redete an der Seitenlinie auf einige Spieler ein, er wies an und baute auf, als spürte er, dass sie Hilfe brauchten, keine Nothilfe, aber Unterstützung und gute Worte. Wickys Team hatte es bis dahin gut gemacht, es wirkte in einem 5-4-1-System gut organisiert, trotz dem permanenten Stress, dem es sich ausgesetzt sah. Die Mancunians spielten den FCB nicht schwindlig wie vor Jahresfrist Arsenal in London, aber von ihren Ideen und ihrer Wucht ging stete Gefahr aus, vielleicht auch von ihren Namen.

Nach 23 Minuten war der Ball zu 70 Prozent in Besitz der Engländer gewesen, jeder Basler rannte irgendwie dagegen an und kämpfte und machte es ziemlich gut. All dieser Aufwand hätte aber schon früh an Wert verloren, wenn nicht Tomas Vaclik im FCB-Tor gestanden wäre. Der Tscheche hatte schon vor Jahresfrist in der Champions League brilliert und scheint einen Kniff zu kennen, mit dem er sich in Königsklasse-Form zu programmieren weiss.

Aber es gab Momente, in denen sich alle FCB-Feldspieler im oder vor dem eigenen Strafraum aufhielten, und bei allem Basler Eifer fragte man sich, wie lange es auf diese Weise gutgehen würde. Nach 35 Minuten ging Manchester United denn auch in Führung, Marouane Fellaini traf per Kopf, nachdem Ashley Young gegen Blas Riveros gar leicht zum Flanken gekommen war. Aber wer wollte Riveros einen Vorwurf machen, dem Teenager, der im Old Trafford erstmals in der Champions League antrat? Es ist eine Konsequenz der Planung dieser Saison und dieses Kaders – gerade hinten links steht Wicky nichts anderes zur Verfügung als blanke Jugend, im Fall von Riveros: talentierte Jugend. Riveros gab sich furchtlos und gab nie auf, aber auf diesem Niveau fehlerlos zu bleiben, wäre von ihm zu viel verlangt. Und es war beileibe nicht nur Riveros, dem die Wucht der Gegner zu schaffen machte. Fellaini setzte sich beim 1:0 gegen zwei Basler durch, ebenso Romelu Lukaku beim 2:0 nach 53 Minuten.

In einer frühen Phase des Spiels schien es ausgeschlossen, dass die Basler ein Tor schiessen würden – dieses Gefühl verflüchtigte sich mit der Zeit, sie trauten sich immer einmal wieder etwas zu, in der 64. Minute zwang Mohamed Elyounoussi den United-Goalie David De Gea zu einer starken Parade. Ein Remis schien gleichwohl weit weg, zu klar waren die Kräfteverhältnisse. Aber eigentlich ging es für den FCB um mehr als um Tore oder sogar Punkte – es ging um die Ambiance, um die Aufbruchstimmung unter der neuen Klubführung, die zuletzt schon etwas litt. Am Wochenende war der FCB in der Liga dem Schlusslicht Lausanne unterlegen, und es gab nicht wenige, die ihm in Manchester eine Kanterniederlage mit fünf Gegentoren voraussagten. Nachdem auch noch Marcus Rashford getroffen hatte, verloren die Basler 0:3, aber immerhin bestanden sie so etwas wie einen Stresstest. Sie liessen sich nicht gehen, Wicky stand bis zuletzt im Regen und gab Anweisungen, als wisse er, dass jeder Rat eine Investition in die Zukunft ist. Der Sportdirektor Marco Streller hatte vor der Partie gesagt, der FCB 2017 habe ähnlich viel Qualität wie der FCB 2011, der in Manchester ein 3:3 erreicht hatte. Wenn Streller wirklich daran glaubt, müsste Wicky in nächster Zeit noch viel schlummerndes Talent wecken dürfen. Denn der FCB der Gegenwart war am Dienstag nicht nur von Manchester United weit entfernt, sondern auch vom FCB der Vergangenheit.

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