Presseschau

Tages-Anzeiger vom 11.08.2017

Die GC-Desperados und ihre verlotterte Wagenburg

70 Minuten lang ist GC beim 2:3 in Basel überfordert. Trainer Bernegger sieht trotzdem Positives.

Florian Raz Basel

Die Partie war eigentlich längst beendet, da fing sie doch noch einmal an. 70 Minuten lang hatten sich die Grasshoppers vom FC Basel herumschubsen lassen wie Teenager, die mit ihren japanischen Töffs in eine Rotte Hells Angels geraten sind. Doch als alles zu spät schien, als sie mit 0:3 im Rückstand lagen, da erinnerten sich die Zürcher doch noch, weswegen sie ihre Reise nach Basel unternommen hatten: Richtig, da stand ja ein Fussballspiel auf dem Programm.

Und so brachten Lucas Andersen in der 70. und Milan Vilotic in der 77. Minute tatsächlich noch so etwas wie Spannung in einen Abend, der bis dahin einseitiger kaum hätte sein können. Allein, das Aufbäumen, es kam zu spät. All zu viel sollte sich GC sowieso nicht einbilden auf diese Resultatkosmetik. Ausser natürlich, es war ein ausgefuchster Plan, die Basler unter Vortäuschung völliger Hilflosigkeit zu jenem überheblichen Auftritt zu verleiten, der am Ende sogar noch einen Zürcher Punktgewinn in den Bereich des Möglichen rückte.

Kein schöner Anblick

Solange die Basler die Aufgabe aber ernsthaft angingen, war es kein schöner Anblick aus Sicht der Grasshoppers. Ihre Hoffnung war ja vor dem Anpfiff diese gewesen: Ihre Spieler ziehen so viel Mut wie nur möglich aus dem Punktgewinn in Luzern vom letzten Wochenende. Und bringen dann die Partie in Basel im Minimum so über die Runden, dass wenn vielleicht nicht gleich ein Punkt, so doch wenigstens Schwung für die kommenden Aufgaben mitgenommen wird.

Vielleicht ist Letzteres mit den beiden Toren in der Schlussphase sogar in Ansätzen gelungen. Und es ist nur logisch, dass sich Carlos Bernegger nach dem Schlusspfiff an die ermutigenden Momente des Abends klammerte. «Es ist sehr positiv, dass GC in der zweiten Halbzeit für Spannung sorgte», befand der GC-Trainer, der den Abend zumindest öffentlich als guten Schritt «in diesem Findungsprozess» abbuchte.

Bernegger ist ja nicht zu beneiden um seine Aufgabe. Über den Sommer hat ihm Sportchef Mathias Walther eine Mannschaft hingestellt, die aufgefüllt ist mit Desperados, die bei GC ihre vielleicht letzte Chance packen sollen. Da spielte in Basel zum Beispiel ein Nabil Bahoui, der zuletzt in Saudi-Arabien und beim HSV aussortiert worden ist. Entsprechend verunsichert geisterte der Mann über den Platz.

Weil Bernegger weiss, wie fragil sein Team ist, liess er es in Basel eine Art Wagenburg aufbauen. Was ein 3-4-3 hätte sein sollen, wurde schnell zum 5- 4-1. Ob das die richtige Marschroute war? GC versteckte sich in seiner Abwehr, spielte ängstlich, nervös, überfordert. Die Wagenburg, sie wirkte reichlich verlottert. Nicht nur bei Vilotics 0:1 in der 29. Minute – das zweite Eigentor des Abwehrchefs in dieser Saison – oder bei den Szenen, die zu den Toren Ricky van Wolfswinkels führten.

Wochen der Wahrheit

Gut, die Partie in Basel kann für ein GC in dieser Form und personellen Aufstellung nie mehr sein als eine Art Bonusspiel, bei dem jeder gewonnene Punkt eine freudige Überraschung darstellt. Die Wochen der Wahrheit folgen nach dem Cup am Wochenende: mit den Partien gegen St. Gallen, Lausanne, Sion, Thun und Lugano. Nach diesen Spielen wird klar sein, in welche Richtung es mit GC in dieser Saison geht.

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