Presseschau

Blick vom 27.05.2017

Schweigst im Morgenrot daher

Empörung über Hymnen-Schande am Cupfinal

Cinzia Venafro , Alain Kunz , Michael Wegmann , Simon Marti

Kein Morgenrot, kein Strahlenmeer – dafür Riesenzoff! «Wir standen vor dem Handshake da und warteten auf die Hymne», erzählt Vero Salatic. Der Sion-Fussballer wurde wie seine Kollegen und die Zuschauer enttäuscht: Vor dem Anpfiff des Cupfinals zwischen dem FCB und dem FC Sion blieb es am Donnerstag still im Stade de Genève.

Erstmals in der Geschichte des Fussball-Knallers erklang keine Nationalhymne, sangen keine Spieler und Fans den Schweizerpsalm. Grund: Vor einem Jahr störten Randalierer mit Johlen und Böllern im Zürcher Letzigrund den feierlichen Akt. Deshalb verordnete der Schweizerische Fussballverband (SFV): Diesmal gibts keine Hymne! «Wir schützten unsere Nationalhymne vor Pfiffen, Zwischen- und Buhrufen», begründet SFV-Medienchef Marco von Ah. «Manchmal muss man ein Zeichen setzen, um zum Nachdenken anzuregen.»

Dieser Entscheid stösst bei FDP-Nationalrat Thierry Burkart (AG) auf völliges Unverständnis. «Das ist ein Armutszeugnis des Verbandes. Die kapitulieren vor vaterlandslosen Gesellen! Unfassbar. Ein feiges, rückgratloses Einknicken ist das», sagt der Goalie des FC Nationalrat. «Wir müssen mutiger sein und halt versuchen, standhaft lauter zu singen, als diese paar Idioten pfeifen.»

Erstaunlich für die sonst stets patriotische Partei: SVP-Nationalratspräsident und Sportfunktionär Jürg Stahl war «in den Entscheid, die Hymne zu streichen, involviert», wie er zugibt. «Damit die wahren Fans endlich kapieren, dass sie mehr Einfluss nehmen müssen auf diese Leute, die uns den Sport kaputtmachen wollen.»

Für seine Parteikollegin und Hymnenverteidigerin Yvette Estermann (SVP/LU) ist das Streichen eine «sehr gefährliche Entwicklung! Da kuscht man aus Angst vor Leuten, die sich nicht an die Gesetze halten», so die Nationalrätin.

Auch im linken Politlager vermisste man die singenden Fussballer. «Die Hymne auszupfeifen, ist jenseits, das muss man diesen Leuten deutlich zu verstehen geben», sagt SP-Nationalrat Matthias Aebischer (SP/ BE). Er fordert die Vereinspräsidenten und die Fussballstars dazu auf, «die Fans zu erziehen» – das sei bei einem anderen Thema auch gelungen. «In den Achtziger- und Neunzigerjahren war Rassismus in Stadien allgegenwärtig», sagt Aebischer. «Damals hätte man deswegen keine dunkelhäutigen Spieler mehr aufbieten können. Stattdessen hat man mit der Aktion ‹Gemeinsam gegen Rassismus› den Tarif durchgegeben.» Das Gleiche solle man bei der Hymne tun. «Wenn man sie ausbuht, hat man keine Achtung vor der Nation.»

«Trittst im Morgenrot daher» ist zwar erst seit 1981 (nach vielen Einsprachen) offiziell unsere Landeshymne. Aber sie gibt ungezählten Anlässen den würdigen Rahmen, nicht nur am 1. August. Sie kommt bei Feiern zum Einsatz, im Militär, bei internationalen Sportanlässen – und nationalen. Beim Eishockey erklingt sie immer bei den Playoff-Finals und sorgt da regelmässig für Gänsehaut.

Diese fehlte auch Stadiongast Christophe Darbellay. «Die Hymne nicht zu spielen, war völlig falsch», sagt der Walliser CVP-Staatsrat. «Sie ist ein Highlight dieser ganzen Zeremonie. So aber fehlte der Glanz.»

Ins Grübeln kam SVP-Bundesrat Guy Parmelin. «Es ist wirklich schade, dass das Verhalten gewisser Fans den SFV dazu veranlasst, eine solche Entscheidung zu treffen», sagt der Sportminister zu BLICK. Er war im Stadion dabei. Er «bedaure es sehr», dass der Cupfinal – «unser grosses Fussballfest» – ohne Hymne stattfinden musste.

Ein Affront ist das Weglassen für Sion-Präsident Christian Constantin. «Diese Kapitulation geht gar nicht. Ich hätte das nie gemacht», sagt er. Er ist sich sicher: «Ein Walliser pfeift die Hymne niemals aus.»

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