Basler Zeitung vom 01.03.2017
Martin Blaser hat als FCB-Marketingchef zwar tausend Ideen, weiss aber um die Sensibilität der Basler Anhänger
Von Marcel Rohr und Tilman Pauls
BaZ:
Martin Blaser, Sie führen beim FC Basel ein Team mit fast 30 Mitarbeitern und sind für hohe Umsätze verantwortlich. Sind Sie am Ende sogar wichtiger als der Cheftrainer?
Martin Blaser:
Jetzt hören Sie aber auf (lacht)?… Ich sage seit vielen Jahren, dass der Cheftrainer der stille CEO einer Fussballorganisation ist. Oft hat er die meisten Mitarbeiter unter sich, die in ihrem Bereich am meisten Talent mitbringen und die, das kann man wahrscheinlich schon so sagen, nicht immer ganz einfach zu führen sind. Ein Trainer muss darum enorme Führungsqualitäten haben und ein hervorragender Kommunikator sein – alles Dinge, die man auch von einem Chef eines Unternehmens erwartet.
So gesehen ist Ihre Arbeit ja nicht ganz unähnlich.
Der grosse Unterschied ist, dass das Produkt zentral ist: der Fussball. Mit ihm steht und fällt vieles, auch meine Arbeit, das musste ich irgendwann in meinen mehr als zwanzig Jahren im Fussballvermarktungsgeschäft lernen. Wenn man als Tabellensiebter in der Liga neue Dinge im Marketing ausprobieren würde, wäre die Aufmerksamkeit wohl eine andere.
Fällt Ihnen die Arbeit demnach leichter, wenn der FCB erfolgreich ist?
Der sportliche Erfolg hat die Wirkung eines Katalysators – er macht es etwas einfacher, wobei ich gleich korrigieren muss: Einfach ist Marketing im Profi-Fussball nirgendwo. Es ist harte Arbeit, die viel Disziplin verlangt und so unspektakulär wie das Arbeiten bei der Steuerverwaltung ist.
Sie haben schon für mehrere Fussballclubs gearbeitet. Können Sie Ideen von Ihren vorherigen Stationen einfach einen rotblauen Umhang überwerfen und sie auf den FCB anwenden? Oder braucht es beim erfolgreichsten Club der Schweiz neue, andere Ansätze?
Ich würde es sogar noch provokativer formulieren: Ich habe schon in der 1. Liga bei Zug 94 Ideen entwickelt, die ich beim FCB in den vergangenen Jahren wiederholt habe.
Ach ja?
Das ganze Thema der Integration und Aktivierung von Sponsoren haben wir komplett neu aufgesetzt. So werden seit Juli 2013 die sogenannten Top-6-Sponsoren konsequent visualisiert. Angefangen beim Briefpapier bis hin zum Partnerboard beim offiziellen Mannschaftsfoto.
Warum so konsequent?
Weil es wichtig und notwendig war, allgemeingültige Standards in diesem Bereich einzuführen. Ich darf das so sagen: Der FCB spielte im Sponsoringbereich damals noch nicht in der Champions League.
Können Sie uns ein paar Kennzahlen Ihres Kerngeschäfts nennen?
Im Bereich des klassischen Sponsorings und Werbegeschäfts bewegen wir uns pro Saison um die 11-Millionen-Franken-Grenze. Bezüglich der Gesamtvermarktung lagen wir 2015 zwischen 46 und 48 Millionen Franken. Unsere Abteilung umfasst momentan 28,8 Stellen, wobei seit Sommer 2013 nur drei neue Stellen geschaffen wurden, die im Zusammenhang mit neuen Geschäften beziehungsweise Projekten stehen.
Allein im Sponsoringbereich ist der FCB in eine neue Welt vorgestossen.
Man darf ruhig feststellen, dass wir die Zahl der Sponsoren in den letzten Jahren massiv gesteigert haben. Die seinerzeitige Einführung eines neuen Sponsoringkonzepts sowie die vorgenannten Anpassungen im Umsetzungsbereich waren mein erstes grosses Projekt beim FC Basel. Innerhalb weniger Monate konnten wir in diesem Bereich eine Umsatzsteigerung von mehreren Hunderttausend Franken verzeichnen.
Was folgte dann?
Bereits 2013 konzipierten wir das Hospitality-Projekt, wozu natürlich auch die Integration der entsprechenden Rechte gehörte, die bis Ende Juni 2013 bei der Stadionbetriebs AG lagen. Ich erinnere mich noch genau: Während die Mannschaft zum Playoff-Champions-League-Spiel gegen Ludogorez Rasgrad reiste, flog ich nach München zu meinem ersten Treffen mit Frank Wassermann, der ab Juli 2014 substanziell an der Erarbeitung des Catering-Konzeptes für den St.-Jakob-Park mitgewirkt hat. Im Januar 2015 folgte der entsprechende Umbau der Lounges. Das war dringend notwendig, da während 14 Jahren von keiner der involvierten Parteien gross investiert worden war.
Wie zahlte sich das konkret aus?
Für das Jahr 2015 konnten wir so 157 zusätzliche Plätze verkaufen. Von total 1445 zur Verfügung stehenden Sitzen blieben nur 17 frei. Der entsprechende Mehrumsatz lässt sich im Geschäftsbericht 2015 nachlesen.
Ist die Auslastung der Lounges denn in diesem Jahr immer noch so hoch wie vor zwei Jahren?
Ich muss sagen: 2015 war ein sehr gutes Jahr, 2016 verloren wir hingegen ein paar Dutzend Plätze. Das hat aber aus meiner Sicht nur wenig mit dem Gebotenen zu tun; die Qualität des Essens zum Beispiel wird im Hospitality-Bereich durchwegs gelobt. Tatsache ist aber, dass die wirtschaftliche Lage weltweit und in der Schweiz nicht die beste ist.
Ist ein FCB-Restaurant in der Innenstadt, wie es mehrmals schon angesprochen wurde, ein konkretes Thema?
Ich würde lügen, wenn ich sage, dass wir uns noch nie mit einem entsprechenden Projekt auseinandergesetzt hätten. Im Stadtzentrum einen FCB-Treffpunkt mitsamt Café oder Restaurant einzurichten, ist sicher mehr als nur eine pure Fantasie.
Nach Sponsoren und Hospitality – welches Projekt beschäftigt Sie nun?
2016 haben wir die Renovation der Cateringstände in Angriff genommen sowie das bargeldlose Zahlen als Option im Stadion eingeführt. Ich bin überzeugt, dass in zehn Jahren wohl nur noch wenige Fans Bargeld im Sack haben; aber das wollen wir niemandem aufschwatzen, der Kunde soll selbst entscheiden, wie er bezahlen will. Und im Frühling 2017 werden wir uns in Form einer Arbeitsgruppe nochmals mit der Strukturbereinigung im Zusammenhang mit den Jahreskarten auseinandersetzen. Das Thema hat ja im letzten Herbst hohe Wellen geworfen.
Das kann man wohl sagen. Wer hatte die Idee, die Preise anzupassen?
Das Thema lag beim FCB schon seit vielen Jahren in der Luft, aber konkret wurde es nie angepackt – bis die Clubleitung dann beschloss, dies zu ändern. Der Rest ist bekannt.
Also keine Blaser-Idee?
Nein. Und ich würde es Ihnen auch sagen, wenn es so wäre.
Es gab viel Kritik sowie drohende Proteste, besonders aus den Sektoren B und C, woraufhin der Club beschloss, die Umstrukturierung der Preise nochmal zu verschieben.
Ich halte nochmals fest: Es ging nie um eine Anpassung der Preise, sondern um strukturelle Fragen.
Aber haben Sie denn nicht mit dieser Kritik der Zuschauer gerechnet?
Uns war klar, dass jede Veränderung bei einem gewissen Prozentsatz der Zuschauer zu Reaktionen führen wird, und wir alle wissen, dass man es nie allen recht machen kann.
Gibt es weitere Neuerungen im Bereich Public Ticketing?
Wir werden dieses Jahr eine Dienstleistung einführen, die es erlaubt, die Jahreskarte in der FCB-App digital zu hinterlegen. So kann man zukünftig den Eintritt zu einem einzelnen Spiel via Handy an eine Drittperson weiterleiten. Das mitunter nervige Handling entfällt, weil die Karte nicht mehr physisch übergeben werden muss. Parallel dazu soll es in Zukunft auch möglich sein, dass der interessierte Besucher jeden einzelnen Sitz im Stadion anklicken kann und virtuell 1:1 erkennt, welche Sicht er von dort auf das Spielfeld hat. Das ist vor allem für jene Besucher gedacht, die das Stadion noch nicht in- und auswendig kennen.
Was treibt Sie sonst noch um?
Ein weiteres Thema ist die soziale Verantwortung, die ein Club wie der FC Basel trägt. Darunter fallen Fragen, ob der FCB zum Beispiel den Behinderten-Fussball fördern oder wie stark er sich grundsätzlich im sozialen Bereich engagieren soll. Isoliert haben wir mit der Golf-Trophy eine FCB-Veranstaltung, mit deren Erlös wir die Basler Stiftung für Ferienkolonien unterstützen, und selbstverständlich befassen wir uns auch mit dem komplexen Thema eSports, das weltweit auf dem Vormarsch ist.
Womit wir bei den Themen wären, bei denen viele klassische Fussballfans die Nase rümpfen. Ist Ihnen bewusst, wie sensibel man als Marketingchef mit dem Thema Kommerz umgehen muss, gerade in diesen Tagen?
Natürlich bin ich mir dessen bewusst. Kommerz und Vermarktung sind sehr sensible Themen und darum haben wir beim FCB auch auf einige Dinge verzichtet.
Ist Basel denn in dieser Hinsicht besonders sensibel?
Ich wusste, dass Basel anders funktioniert als andere Schweizer Städte. Das merkte ich schon zu meiner Zeit bei GC, wobei jede Stadt oder Region eigene Gesetzmässigkeiten hat. Darum wäre meine Vermutung, dass es in einer Stadt wie Genf wieder anders wäre. In Basel ist es beispielsweise unvorstellbar, dass wir den Stadionnamen verkaufen, so wie das vielerorts in Deutschland schon passiert ist. Das wurde mir übrigens gleich zu Beginn gesagt: Martin, um das Namensrecht musst du dich nicht kümmern. Die Fussballkultur in Basel geht sehr tief. Doch der Begriff Kommerz ist breit gefächert, denken Sie nur an die Besitzverhältnisse von Vereinen im Ausland.
Was meinen Sie damit?
Es gibt Clubbesitzer oder Gönner wie Dietmar Hopp in Hoffenheim. Es gibt Katarer oder Ölscheiche, die Vereine kaufen. Genauso wie Unternehmen oder Konzerne, die sich Fussballclubs leisten.
Sie können Projekten wie RB Leipzig also etwas Gutes abgewinnen?
Aus Marketingsicht? Selbstverständlich. Dort wird hervorragend und zielgerichtet gearbeitet. Schauen Sie sich mal das Nachwuchscenter an, das in Leipzig entstanden ist. Bundesliga-Dinos wie der Hamburger SV dagegen leben von einem grossen Namen, verbrennen seit Jahren jedoch viel Geld, ohne offensichtlich einen Schritt weiter zu kommen. Ich selbst bin Mitglied von Borussia Mönchengladbach – dieser Club findet sich zwischen Tradition und Transformation in die neue Welt mit einem wunderbaren Stadion wieder. Das berührt mich emotional sehr.
Bei einem gewissen Teil der Basler Fans fällt das Urteil über Sie und Ihre Arbeit negativ aus. Wie haben Sie die Reaktionen bisher erlebt?
Es gab bis vor Kurzem keinen direkten Kontakt, ich bin als Marketingchef nicht der erste Ansprechpartner der Fans. Aber es gab vor einigen Wochen erstmals einen Austausch mit Exponenten der Fanszene. Und ich muss sagen, dass es ein sehr spannendes und angenehmes Gespräch war.
Aber die Ultra-Bewegung – nicht nur in Basel – stellt sich ja generell gegen die Kommerzialisierung des Fussballs und viele Ihrer Ideen.
Wie gesagt, bei diesem Austausch wurde teilweise kontrovers diskutiert. Wir haben verschiedene Themenkreise besprochen und einzelne Punkte wurden auch kritisiert. Ich hatte das Gefühl, den Austausch fanden die meisten cool.
Sie haben vor knapp zwei Jahren dem
Schreyhals
, der Zeitung der Muttenzerkurve, ein Interview gegeben. Welche Kritikpunkte wurden dort in den Fokus gerückt?
Ich kann mich wirklich nicht mehr an alle Einzelheiten des Gesprächs erinnern, aber es ging auch dort um die Angst vor der Entwurzelung des FCB. Dieser Aspekt ist mir bewusst, das höre ich immer wieder, aber diese Angst ist aus meiner Sicht unbegründet. Wir haben doch keine unbekannten Geschäftsmänner aus Katar oder Tschetschenien, die den FCB führen. In den bald vier Jahren, in denen ich nun hier bin, haben wir nichts Verrücktes vorangetrieben.
Sie hätten also noch ein paar Ideen?
Mehr als genug! Aber wir wollen beim FCB nur Schritt für Schritt vorwärtsgehen. Ich sehe meine Pflicht auch darin, den Leuten zu erklären, was wir vorhaben oder ändern könnten. Erklärungen bauen Ängste ab.
Eine Asientour, die vor zwei Jahren geplant war, hat aber relativ wenig mit «Schritt für Schritt» oder regionaler Ausrichtung zu tun.
Im Nachgang zur Verpflichtung von Yoichiro Kakitani kam diese Idee auf. Über einen Bekannten von mir, der den japanischen Markt bestens kennt und seit vielen Jahren mit dem japanischen Fussballverband arbeitet, ergab sich eine attraktive Möglichkeit für uns. Der Deal war schon weit gediehen, doch am Ende entschied sich der japanische Promoter für Eintracht Frankfurt und nicht für den FC Basel. Das Ganze wäre aber eine einmalige Möglichkeit für den Verein gewesen.
Auf sportlicher Ebene begleitet den FC Basel seit Wochen eine Debatte, die sich um Langeweile und Dominanz dreht. Tangiert Sie das im Alltagsgeschäft eigentlich?
Logischerweise bekomme ich diese Diskussionen mit. Im Sponsoringbereich spüren wir bis dato davon nichts und bei den Jahreskarten haben wir wieder über 22?000 verkauft – das sind nur ein paar Hundert weniger als 2016 und entspricht einer normalen Veränderung. Als private Person sehe ich das sowieso anders: Wenn der Club meines Herzens immer gewinnt, bin ich einfach nur stolz und freue mich riesig!