Presseschau

Schweiz am Sonntag vom 28.08.2016

Der langweiligste Job der Liga?

Kein Goalie muss weniger Bälle halten als Basels Vaclik – warum der Tscheche trotzdem gerne ins Tor steht.

Sebastian Wendel

Tomas Vaclik erlebt gerade aufregende Tage. Am Donnerstag die Auslosung der Champions-League-Gruppen, heute das Spiel in Thun und anschliessend die Abreise zur Nationalmannschaft – verbunden mit der Frage, ob Vaclik wie erwartet die Nachfolge des zurückgetretenen Petr Cech als Nummer 1 im Tor der Tschechen antritt.

«Ja, es läuft gerade einiges», sagt Vaclik, als wir ihn Mitte der Woche treffen. Dem 27-Jährigen kann dies nur recht sein: Schliesslich hatte er bis anhin den langweiligsten Job der Super League.

In fünf Spielen flogen gerade einmal 13 Schüsse auf sein Tor. Gegen Sion sogar kein einziger, gegen Vaduz und Lugano nur einer. Im Vergleich zu Vaclik stehen seine Goalie-Kollegen fast schon unter Dauerbeschuss (siehe Tabelle rechts).

Trotz weisser Weste unzufrieden

Ein Goalie ist Goalie, weil er es liebt, Bälle zu halten, oder? «Ja, klar», sagt Vaclik. Macht es also überhaupt Spass, Goalie des FC Basel zu sein? Vaclik lächelt und sagt: «Ich verstehe, worauf du hinauswillst. Aber ehrlich gesagt habe ich mir darüber noch gar nie Gedanken gemacht.» Es ist der Beginn einer längeren Diskussion über den Torhüter-Job. Mit Vacliks Fazit: «Der Begriff ‹Torhüter› ist nicht mehr zeitgemäss.»

Er zählt auf: «Aufbauspiel, Auswürfe, Strafraumbeherrschung, Mitspieler führen – Bälle halten ist längst nicht mehr das Einzige, was ein Goalie tun muss. Schon gar nicht bei einer Mannschaft wie dem FC Basel, die in den meisten Fällen das Spiel macht und der Goalie entsprechend wenig zu tun hat.» Er sehe sich in den Spielen manchmal mehr wie ein zwölfter Feldspieler, der halt einfach noch den Ball in die Hände nimmt, wenn es sein muss.

Schön und gut. Aber vermisst Vaclik es denn überhaupt nicht, mehr Schüsse abwehren zu können? Blickt er nicht neidisch auf seine Kollegen, die in jedem Spiel die Chance haben, entscheidend einzugreifen, während die Gegentore, die Vaclik erhält, meistens nicht von Bedeutung über den Ausgang des Spiels sind? «Nein. Ich bin genug mit anderen Dingen beschäftigt. Und ob du es glaubst oder nicht: Es gibt Spiele, in denen wir kein Gegentor erhalten haben und ich dennoch unzufrieden bin. Entweder hatte ich dann Probleme mit den Flanken oder meine Pässe sind nicht wie gewünscht angekommen.» Also hat er sich noch nie gelangweilt im Tor des FC Basel? «Nein, noch nie. Mein Job ist alles andere als langweilig und in den nächsten Monaten in der Champions League werde ich bestimmt genug beschäftigt sein. Ich behaupte sogar: Ich habe den schönsten Job der Welt.»

Der in diesen Tagen noch schöner werden könnte. Vaclik hofft, nach dem Rücktritt von Petr Cech dessen Nachfolger im Tor der tschechischen Nationalmannschaft zu werden. Als langjährige Nummer 2 wäre Vacliks Beförderung nur logisch. Auch, weil er – abgesehen von Cech – der einzige tschechische Stammgoalie in der Champions League ist. Vaclik aber traut der Sache nicht. Zwar hatte er mit dem neuen Nationaltrainer Karel Jarolim ein gutes Gespräch, als dieser vor einigen Wochen ihn und Landsmann Marek Suchy in Basel besuchte.

Der Wechsel in eine Topliga ist ein Traum, aber kein Ziel

Doch er will es aus Jarolims Mund hören: «Tomas, du bist die Nummer 1!» Am 4. September empfängt Tschechien zum Auftakt der WM-Qualifikation Nordirland – dann hat Vaclik Gewissheit. Dass er es kann, die grosse Lücke ausfüllen, die sein Vorgänger hinterlässt, das hat er beim FCB bewiesen, wo er auf Yann Sommer folgte. Sollte es anders kommen und ein anderer Goalie vorgezogen werden, müsse er grundsätzlich über die Bücher. Obwohl Vaclik sagt: «Ich liebe die Nationalmannschaft.»

So wie er mittlerweile den FC Basel und die Stadt liebt. «Vor zwei Jahren bin ich hierhergekommen, jetzt fühle ich mich hier wie zu Hause.» Im Frühling verlängerte er seinen Vertrag vorzeitig um drei Jahre bis 2021. «Das war ein gegenseitiges Zeichen von mir und vom Klub, dass wir noch viel zusammen erleben wollen», sagt er.

Also ist kein Wechsel in eine grosse Liga geplant? «Nein, gar nicht. Träume hat jeder als kleiner Junge, aber ich stehe nicht hin und sage: Es ist mein Ziel, irgendwann in der Premier League zu spielen. Als Familienvater ist mir das Drumherum genauso wichtig wie die sportlichen Perspektiven. Und hier in Basel fühlen ich und meine Familie uns mehr als wohl.» Es deutet alles darauf hin, dass Vaclik noch lange in Basel bleibt. Langweilig – das ist nun geklärt – wird es ihm dabei trotz der rot-blauen Dominanz in der Super League nie werden.

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