Basler Zeitung vom 10.06.2010
Augustine Makalakalane über Bananenwürfe, Rassentrennung in Südafrikas Fussball und die WM
Interview: Florian Raz
Von 1989 bis 1996 spielte Augustine Makalakalane in der Schweiz für den FCZ und Baden. Heute ist der 46-Jährige Nationaltrainer des südafrikanischen Frauenteams.
Sein Spitzname war urschweizerisch. «Guschti» nannten ihn die Teamkollegen beim FC Zürich. Sein Nachname dagegen schien schon beim Lesen einen Vorgeschmack auf die technischen Finessen zu geben, die Augustine Makalakalane auf dem Rasen zeigte. Der erste südafrikanische Nationalspieler in der Schweiz war bei den Gegnern gefürchtet – er wurde deswegen vor allem in seinen Anfangszeiten in der Schweiz Opfer rassistischer Angriffe, besonders in Spielen gegen den FC Basel.
Die Rasta-Locken von damals hat der heute 46-jährige Makalakalane, der dieser Tage bei den Afrika Bibliografien in Basel zu Besuch war, nicht mehr. Doch dem Fussball ist er verbunden geblieben. Als Nationaltrainer der südafrikanischen Frauen ist das Ziel die Qualifikation für die WM 2011. Und für das Männerteam wird er in den nächsten vier Wochen pausenlos unterwegs sein und Partien anderer Nationen analysieren, auch die der Schweiz.
BaZ: Augustine Makalakalane, Ihre Erinnerungen an Basel dürften nicht die besten sein. Als Sie mit dem FC Zürich gegen den FCB spielten, wurden Sie mit Bananen beworfen.
Augustine Makalakalane: Ja, ich hatte ein paar harte Erlebnisse. Die Basler Fans waren damals einerseits gut, sie haben ihr Team unterstützt, sie waren aber gleichzeitig sehr feindselig. Als ich einen Eckball ausführen wollte, wurde ich von einer Banane getroffen. Ich habe sie weggeworfen, doch danach kamen noch mehr Bananen – da habe ich eine genommen und sie gegessen. Weil ich gedacht habe: Wenn es das ist, was ihr wollt, dann könnt ihr es haben.
Das scheint auf den ersten Blick eine äusserst coole Antwort zu sein.
Ich war mental sehr stark. Eine schwächere Person hört nach so einem Erlebnis schlicht auf, Fussball zu spielen. Das war für mich der traurigste Tag meines Lebens. Es erinnerte mich an meine Heimat, wo ich die Apartheid erdulden musste. Ich hatte gedacht, ich hätte das alles hinter mir gelassen, ich sei in ein Land ohne Rassismus gekommen. Und dann musste ich feststellen, dass es in der ganzen Welt so sein wird: Wenn du schwarz bist, triffst du immer Leute, die denken, sie seien dir überlegen.
Also waren die geworfenen Bananen ein Schock?
Ja. Ich war sehr enttäuscht, dass niemand im Stadion etwas gegen diesen Rassismus getan hat. Ich habe keine Polizisten gesehen, die eingeschritten sind, der Schiedsrichter hat nichts unternommen. Das Spiel ist einfach weiter gelaufen, als ob nichts geschehen wäre. Und zur Pause haben mich erst noch meine eigenen Teamkollegen kritisiert, weil ich die Banane gegessen hatte. In diesem Moment und in den Tagen danach habe ich mich sehr alleine gefühlt.
In der Zwischenzeit sind auch in Basel Spieler aus Afrika zu Publikumslieblingen geworden. Thimothée Atouba etwa – oder aktuell Samuel Inkoom.
Das freut mich. Ich hoffe, sie bekommen alle Unterstützung, die sie brauchen, damit sie hier wirklich Freude am Fussball haben können. Denn das war Fussball für uns auch unter der Apartheid gewesen: ein Ort, an dem wir einfach Spass haben konnten. Die Apartheid hat uns vor so viele Probleme gestellt, dass Fussball für uns eine Möglichkeit war, unsere Frustration zu vergessen.
Hatte Fussball damals in Südafrika auch eine politische Note?
Ja, die hatte er. Wir hatten keinerlei Unterstützung, wir hatten keine Infrastruktur. Die Weissen dagegen haben in professionellen Ligen gespielt, gut vermarktet und ausgerüstet. Dabei waren wir, die Schwarzen, doch die talentiertesten Spieler des Landes! Die Weissen hatten noch alle anderen Sportarten, die sich Schwarze finanziell gar nicht leisten konnten: Cricket oder Rugby. Wir haben mit Bällen aus Plastikabfall gespielt. Das war der billigste Sport, den es gab.
Obwohl es unter der Apartheid eine weisse Profiliga gab, erscheint es heute so, als ob Fussball ganz klar der Sport der schwarzen Bevölkerung ist. Stimmt der Eindruck?
Ja, es gibt da noch immer diese Rassentrennung in unserem Sport. Sehen Sie, die Weissen kommen nicht zu den Spielen der einheimischen Liga. Aber wenn ein südafrikanisches Team gegen eine internationale Mannschaft spielt, gegen Manchester oder Barcelona, dann füllen die Weissen das Stadion. Doch sie sind nicht da, um die einheimischen Teams zu sehen, in denen vor allem Schwarze spielen. Sie scheinen sich viel leichter mit ihren Helden aus den europäischen Ligen identifizieren zu können. Wenn also jetzt viele Weisse an der WM in den Stadien sind, sagt das nichts darüber aus, ob auch der südafrikanische Fussball an Beliebtheit zunimmt.
Umso schwieriger dürfte sein, was Danny Jordaan, der CEO des lokalen Organisationskomitees, als Ziel der WM ausgibt. Nämlich nichts weniger als die Bildung eines neuen, geeinten Südafrikas.
Die WM kann dazu einiges beitragen. Sie gibt uns die Hoffnung, dass Südafrika eine Nation wird, die endlich auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet. Ich hoffe auch, dass sich die Idee von Ubuntu durchsetzt, Menschlichkeit, die auch ein Slogan der WM ist. Wir haben vielleicht verschiedene Farben, aber wir sind alle Menschen. Die Schwarzen haben oft versucht, die Beziehungen zu den Weissen zu verbessern, aber die Weissen haben das nicht angenommen. Ich hoffe, die WM wird helfen, dass sie unsere ausgestreckte Hand ergreifen können.
Milliarden sind von der Regierung für die WM ausgegeben worden. Wäre dieses Geld nicht besser in sozialen Wohnungsbau, medizinische Versorgung oder Ausbildung geflossen?
Das ist jetzt das erste Mal, dass unser Land, das Land der Schwarzen, erneuert wird. Dank der WM wurden die Strassen verbessert, die Grundversorgung, die Flughäfen, viele Jobs wurden geschaffen. Für mich geht das in die richtige Richtung. Auch, weil Schwarz und Weiss auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten konnten. Natürlich, alle können nie befriedigt werden. Es gibt Streiks und Aufstände, weil sich Leute übergangen fühlen, aber das wird es immer geben.
Wie wichtig ist es für den Kontinent, dass nun erstmals eine WM auf afrikanischem Boden stattfindet?
Es wurde Zeit. Schauen Sie sich all die afrikanischen Fussballer an, die den europäischen Fussball verändern, obwohl sie in Afrika in ihrer Jugend nicht einmal annähernd die Infrastruktur hatten, die es in Europa gibt.
Und nun lasten die Hoffnungen des ganzen Kontinents auf Südafrika.
Das stimmt. Aber wir hoffen auch. Wir hoffen, dass sich die Afrikaner annähern und als Brüder und Schwestern zusammenarbeiten. Denn diese WM ist nicht eine südafrikanische, das ist eine WM des gesamten Kontinents. Die afrikanischen Bande können durch dieses Turnier enger werden.
Wird es in diesem Jahr einen Weltmeister aus Afrika geben?
Ich bete inständig darum. Ich hoffe, dass wir konkurrenzfähig sind, aber Sie wissen ja wohl selbst, dass das ein hartes Stück Arbeit wird. Doch wenn wir nicht an das Ende der Apartheid geglaubt hätten, wären wir jetzt tot. Also glaube ich an einen afrikanischen Weltmeister.
Und wie steht es um Ihr Nationalteam? Sie haben 1996 mit Südafrika den Afrika Cup gewonnen. Hat die aktuelle Mannschaft ähnliche Qualitäten?
Ich hoffe, sie kann uns stolz machen. Nicht die WM gewinnen, aber die nächste Runde erreichen. Doch ich denke, dieser Mannschaft fehlt eine Identität. Das Problem ist, dass wir viel zu viele Trainerwechsel hatten.
Und wenn Sie das Team von 1996 mit dem von heute vergleichen?
Dann stelle ich fest, dass es weniger starke Charaktere im Team hat. Und: Unsere Mannschaft war stärker durchmischt. Wir hatten viele weisse Spieler, die vielleicht technisch nicht so gut waren, dafür aber auf die Organisation auf dem Feld geschaut haben. Heute spielt nur noch ein Weisser regelmässig im Nationalteam.