Presseschau

Sonntag vom 18.04.2010

Spiele, die Geschichten machten

Heute will der FCB mit einem Heimsieg über Luzern (16 Uhr, St.Jakob-Park) einen weiteren Schritt zum Titelgewinn machen. Vor 30 Jahren ist ihm das schon einmal gelungen – und wie!

Von bojan Stula

Am 17.Mai 1980 besiegte der FCB den FC Luzern mit 8:2 (1:2). Die Rekordmarke von fünf Treffern erzielte dabei der in diesem Januar verstorbene Stürmer Detlev Lauscher.

«Ein Spiel für die Geschichtsbücher!» Wie oft wurde dieser Satz schon geschrieben? Wenn es um die Fussballpartien zwischen Basel und Luzern geht, auffallend oft. Im vergangenen September erst fabrizierte der FCB in einer verrückten Nachspielzeit aus einem 3:4-Rückstand einen 5:4-Auswärtssieg. Innerhalb von sieben Minuten fielen drei Treffer; die beiden entscheidenden der Rotblauen durch Alex Frei (90.) und Marco Streller (93.). Das sind Einzelereignisse, die in der heutigen alltäglichen Flut an Fussball-Informationen haften bleiben – oder zumindest nicht so schnell in Vergessenheit geraten.

Unvergessen blieb für viele FCB-Fans der Benthaus-Ära der 17.Mai 1980. Allerdings brauchte es ein tragisches Ereignis, um dieses Datum frisch in Erinnerung zu rufen. Als am vergangenen 15.Januar Detlev Lauscher erst 57-jährig einem Herzversagen erlag, waren sie sofort wieder da, die Bilder jenes 8:2 vor 30 Jahren. FCB-Stürmer Lauscher machte im Joggeli das Spiel seines Lebens, schoss gegen die Luzerner fünf Tore und stellte mit dieser Ausbeute eine Bestmarke auf, die seither nie wieder ein anderer FCB-Spieler in einem Ernstkampf erreichen, geschweige denn übertreffen konnte.

Doch werden Jahrhundertspiele nicht bloss an der Anzahl geschossener oder erlittener Tore beurteilt. Es war die Dramatik des Moments und die brisante Ausgangslage, die den Rahmen für den Trefferreigen auf dem Rasen des alten Joggeli-Stadions bildete. Da kamen die Luzerner als viel bestaunte, unbekümmerte Liganeulinge nach Basel, die in den Runden davor die etablierten Nationalliga-A-Grossvereine Servette, GC und FCZ das Fürchten gelehrt und zuhause den FCB 2:0 gedemütigt hatten. Die Basler ihrerseits lagen mit Rang 3 nach 24 Runden über dem Soll und den vor der Saison nicht allzu hochgesteckten Erwartungen («überaltertes Kader»).

Diese besondere Affiche war es dann, die ein Rekordpublikum von 21000 Zuschauern ins Joggeli anzog, fast das Doppelte des Zuschauerschnitts aus den vorangegangenen Partien. Zur Pause führte Luzern mit 2:1 und schien seinem Ruf als Favoritenschreck alle Ehre zu machen. Nach der Pause folgte dann der grosse Auftritt des «purlimunteren» Lauscher, wie ein Berichterstatter der «Basellandschaftlichen Zeitung» anmerkte. In der 48.Minute schoss der einstige Köln-Profi mit seinem zweiten Goal den 2:2-Ausgleich, ehe er mit seinen Toren zum 5:2, 7:2 und 8:2 den bis auf den heutigen Tag höchsten Sieg gegen den Innerschweizer Rivalen sicherstellte. Zu diesem Zeitpunkt glich der FC Luzern laut bz nur noch einem «aufgebrachten Hornissenvölklein»: «Wohl schwirrten Luzerns Stürmer wie gefährliche Hornissen auf dem Feld herum, aber von einer kompakten Wirkung konnte keine Rede mehr sein.» Für den FCB galt, dass er «nach diesem Kantersieg zu einem Meisterschaftsfavoriten avanciert» ist.

Augenzeugen von damals schwören noch heute, dass der 8:2-Triumph über Luzern das eigentliche Fanal zum FCB-Meistertitel von 1980 darstellte, dem letzten für die kommenden 22 Jahre. War nach dem enttäuschenden 6.Schlussrang 1978/79 das allgemeine Interesse am FCB abgeflaut, kamen die Fans nach diesem Spektakel wieder in Massen, und der FCB eilte in den folgenden 10 Runden der vierwöchigen (!) Finalrunde von Erfolg zu Erfolg. Gegen Luzern gewann er noch zwei weitere Male deutlich (5:0, 4:0), sodass die Innerschweizer tatsächlich ideale Wegbereiter zum Meisterpokal ’80 darstellten.

Erstaunlicherweise ist Helmut Benthaus, dem Meistertrainer von damals, diese Partie nicht sonderlich in Erinnerung geblieben. «Ich bin aber auch sonst keiner, der Erinnerungen sammelt», sagt der 74-Jährige heute fast schon ein bisschen entschuldigend. «Ich bin stets sehr nüchtern mit den Geschehnissen aus der Vergangenheit umgegangen.»

Was Lauscher betrifft, so wechselte dieser zwei Jahre später zum ... FC Luzern, nachdem Benthaus 1982 den FCB in Richtung Stuttgart verlassen, und Teamstütze Otto Demarmels seinen Rücktritt gegeben hatte. Nach einer weiteren Saison bei den Grasshoppers zog sich Detlev Lauscher 1985 vom Profi-Fussball zurück, und baute in Basel zusammen mit seiner Frau Bianca eine Modeboutique an der Bäumleingasse auf. Der technisch starke Angreifer erzielte in insgesamt 209 NLA-Partien 68 Tore und feierte beim FCB zwei Meistertitel.

Um bei der Symbolik der runden Jubiläen zu bleiben: Vor 10 Jahren lieferten sich die beiden Rivalen im damaligen FCB-Ausweichstadion Schützenmatte ein weiteres dieser Jahrhundertspiele. 7:4 lautete am 22.Juli 2000 nach aufwühlenden 90 Minuten das Skore auf der Anzeigetafel. Unter die Torschützen reihte sich schon damals einer, der im vergangenen September beim 5:4 gegen die Luzerner wiederum erfolgreich gewesen und für die Basler unverzichtbarer denn je ist: Benjamin Huggel. Der später zum FC Luzern gewechselte Mario Cantaluppi spielte sich in dieser Partie in die FCB-Stammformation.

Die Show stahl vor zehn Jahren aber der dreifache FCB-Goalgetter Jean-Michel Tchouga ... der soeben vom FC Luzern zum FC Wohlen in die Challenge League abgeschoben worden ist, und im Herbst 2009 nur noch Tribünen-Zaungast des torreichen Geschehens sein durfte. Die Wege der Fussball-Herrn sind eben unergründlich und für Offside-Laien kaum nachvollziehbar. Ob heute Nachmittag ein weiteres Ruhmesblatt in der FCB-Historie geschrieben wird? Wer wollte das schon verschreien. St.-Jakob-Park-Stammgast Helmut Benthaus sagt: «Hoffentlich werden die Luzerner auch diesen Sonntag ein idealer Gegner auf dem Weg zum Meistertitel sein.» Die Zeit dafür scheint jedenfalls reif zu sein.

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