Basler Zeitung vom 22.05.2014

Fan-Gewalt und die vierte Gewalt

Zur Veröffentlichung von Hooligans im Internet

Von Ben Rosch

Bei meinem allabendlichen Jogging quer durch die Schweizer Medienlandschaft bin ich auf einen bemerkenswerten Artikel gestossen. Das Portal Watson empört sich über den Verein Mira. Diese private Gruppierung forderte Lehrer am Konservatorium Zürich dazu auf, bei einem Verdachtsfall auf sexuellen Missbrauch im Kollegium ebendiesen Verein einzuschalten. Einer juristische Prüfung hielte dies nicht stand, da in die Verfassung gemeisselt ist, dass Angeschuldigte weder sich noch jemand anderen belasten müssen.

Dieser Artikel wurde nur einen Tag später als die Meldung publiziert, dass die Basler Staatsanwaltschaft nun verpixelte Bilder von FCB-Hooligans veröffentlicht hat. Der Aufschrei dabei blieb aus; im Gegenteil: Die Bilder wurden gecopypastet und in den Artikel gestellt. Watson blieb nicht der einzige Hilfsdetektiv: 20 Minuten, Tages-Anzeiger und auch die BaZ machten mit. Die Aufgabe einer vierten Gewalt wäre es, dieses Vorgehen des Staates gegen die Verfassung zu hinterfragen. Warum geht es an, dass bei einem Vergehen, bei dem der Schaden «Sachbeschädigung und leichte Verletzungen» ist, Pranger und Drohung zum Mittel der

Aufklärung werden? Jeder Pädophile hat mehr Recht auf Persönlichkeitsschutz, wird er doch auch nach der Verurteilung in aller Regel anonymisiert. Warum spielen die Medien so sehr mit, dass die Doppelzüngigkeit einer ganzen Redaktion gar nicht mehr auffällt?

Weil Bernhard Heusler recht hatte, als er von Medien erzählte, die sich ­solche Ereignisse wie in Aarau oder beim Heimspiel gegen Schalke herbeischreiben. Auch ich weiss um das ­Interesse der Leser – doch wäre es die Aufgabe aller, den Staat immer wieder zu reflektieren. Und es ist die Aufgabe der Zeitung, zum Nachdenken anzu­regen. Ceterum censeo: Das Verhalten der sogenannten Fans ist damit auf keinste Art und Weise zu entschuldigen – nur macht ein Unrecht ein zweites nicht wett.

Ben Rosch ist Journalist und Redaktor bei der Zeitung 20 Minuten.

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