Presseschau

Basler Zeitung vom 28.05.2013

Rotblau und die Geister aus der Vergangenheit

Natürlich denkt jetzt jeder an 2006 – doch warum eigentlich?

Von Oliver Gut

Basel. Es gibt Dinge im Leben, die lassen sich nicht vermeiden. Der Vergleich mit dem Meisterschafts-Endspurt von 2006 ist so ein Ding, wenn es um den ­ FC Basel geht. Spätestens seit Sonntag und der 0:1-Niederlage beim Grass­hopper Club Zürich werden sie von den Medien und der Öffentlichkeit heraufbeschworen, die Geister aus der rotblauen Vergangenheit. Denn natürlich gibt es einige Parallelen zu damals, als die Basler ebenfalls mit einem scheinbar beruhigenden Vorsprung in die Saison-Schlussphase stiegen, am Ende aber mit leeren Händen dastanden.

Wie damals hat der FC Basel durch eine erfolgreiche Kampagne im zweitwichtigsten europäischen Wettbewerb Kraft gelassen, ist der Europa-League- Halbfinal gegen die Engländer aus Chelsea jene Endstation, die ein Viertelfinal-Vergleich mit den Engländern von Middlesbrough war. Wie damals stammt der Verfolger aus Zürich, heisst jetzt einfach GC statt FCZ. Wie damals bestreitet der FCB sein zweitletztes Meisterschaftsspiel an einem Mittwoch bei den Young Boys in Bern – zwei Tage nach seiner Generalversammlung (vgl. Seite 44). Wie damals folgt die letzte Runde an einem Samstag. Und wie damals hat der FC Basel im letzten Direktduell mit dem einzigen verbliebenen Kontrahenten eine spektakuläre Niederlage kassiert, durch einen Gegentreffer praktisch mit dem Schlusspfiff.

Parallelen und Unterschiede

Hier jedoch enden sie bislang auch, die Parallelen. Denn die GC-Partie vom Sonntag ist wichtig gewesen. Doch sie ist keine Finalissima, wie es das Heimspiel gegen den FC Zürich 2006 war, in dem der FCB 1:2 unterlag. Das Schock-Erlebnis, das unfassbare Ereignis, es liegt hinter dem FC Basel, Ausgabe 2013 – die Entscheidung in der Meisterschaft jedoch, die liegt noch vor ihm.

Anders als damals vor der YB-Partie, die als Folge des Uefa-Cup-Erfolgs ein Nachtragsspiel war, präsentiert sich den Baslern nun eine Ausgangslage, in der sie ihr Glück nicht nur in den eigenen Händen halten, sondern auch Profiteure sein können. Vor sieben Jahren musste der FCB aus einer der beiden letzten Partien einen Punkt gewinnen. Und zwar ohne Wenn und Aber, weil die Tordifferenz sich andernfalls zugunsten des FC Zürich entwickelt hätte (was sie dann auch tat). Nun spielt parallel dazu auch GC zweimal und darf keine dieser Partien verlieren, weil die Tordifferenz klar auf der Seite des FC Basel ist.

Was also bringt der Vergleich mit 2006? Was bedeuten Parallelen, wenn so vieles anders ist? Wenn David Degen der einzige Spieler im FCB-Kader ist, der schon vor sieben Jahren dabei war? Nichts – und doch viel. Weil jeder darum weiss. Das ist das Problem, das es für die Spieler des FC Basel nun zu lösen gilt. Sie müssen möglicherweise Meister des Verdrängens werden, um am Schluss Meister des Schweizer Fussballs zu sein. Wegen dem Sonntag. Wegen 2006. Wegen der Häme aus der Restschweiz. Jener Häme, die schon nach diesem 0:1 da und dort mitschwingt. Und jener Häme, die sie als Ligaprimus FC Basel ernten, wenn sie, die Hamster der Vorjahre, nach dramatischem Verlauf plötzlich ohne Titel dastünden. Sie müssen ausblenden, was wäre, wenn am Ende alles nichts wäre.

Verdrängen und Glauben

Wie schwierig das ist, kann nur jeder Betroffene für sich beurteilen. Wie sehr diese späte Niederlage unter die Basler Haut gegangen ist, da man den Titel schon vor Augen gehabt hat, das lässt sich nur erahnen. Etwa an den Reaktionen danach: An Innenverteidiger Fabian Schär, der frustriert Shkelzen Gashi umstösst (vgl. Seite 44). An seinen Mitspielern, die schreien, fluchen, da sie durch den Bauch des Letzigrund-Stadions stapfen. An Murat Yakin, dem Trainer, der ordentlich bedient ist.

Als sie kurz danach zu den Medien sprechen, klingt es anders. Sagt Fabian Frei: «Es gibt keinen Grund, nervös zu sein – wir liegen noch immer drei Punkte voraus.» Sagen Valentin Stocker oder Marco Streller Ähnliches.

Was sollen sie anderes sagen? Sollen sie sagen, sie hätten nun Panik auf den letzten Metern? Können sie nicht, dürfen sie nicht. Sondern müssen glauben, was sie sagen. Nicht unbedingt in diesem Moment. Aber lieber früher als später. Es gilt nun wirklich, was sonst nur eine Fussballer-Floskel ist: die Partie abhaken und nach vorne schauen.

Bei Lichte betrachtet, spricht in diesem Saisonfinale noch immer einiges mehr für Rotblau als dagegen. Doch wenn GC nicht strauchelt, dann entscheiden die Spieler des FC Basel diese Meisterschaft in ihren Köpfen. Getestet wird dabei der Charakter dieser Mannschaft – und jedes Einzelnen.

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