FC Basel
Neuchâtel Xamax
FC Basel - Neuchâtel Xamax 0:2 (0:1)
Datum: 14.10.1995, 20:00 Uhr - Wettbewerb: NLA Qualifikationsrunde 1995/96 - 14. Runde
Stadion: St. Jakob (Basel) - Zuschauer: 13'000
Schiedsrichter: Urs Meier
Tore: 43. Moldovan 0:1. 85. Drakopoulos 0:2.
Gelbe Karte: 83. Zuffi (Foul).
FC Basel: Huber; Cantaluppi, Moro, Tabakovic, Walker; Nyarko, Smajic, Sutter; Yakin (56. Okolosi), Rey (56. Disseris), Zuffi.
Neuchâtel Xamax: Corminboeuf; Vernier, Jeanneret, Rueda, Bonalair; Rothenbühler, Gigon, Perret; Isabella, Moldovan (82. Wittl), Kunz (Drakopoulos).
Bemerkungen: FCB ohne Orlando (gesperrt), Moser (Angina), Ceccaroni, Meier und Olsen (verletzt). Xamax komplett. 28. Kopfball Walkers an den Pfosten. 77. Lattenschuss Okolosi. - Gute Schiedsrichterleistung.
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Dieser kriselnde FC Basel wirft Fragen auf, Fragen, Fragen, nicht als Fragen
Die Leistungen sind schlecht, die Resultate niederschmetternd, der Frust gross: Der FC Basel tritt bedenklich an Ort, und weil Stillstand im Sport stets Rückschritt ist, ist es nach der samstäglichen 0:2-Niederlage gegen Xamax an der Zeit, einige deutliche Fragen zu stellen.
Basel. 0:2 verlor der FC Basel gegen Xamax, und weil das bereits die vierte Heimniederlage aus den fünf letzten Spielen zu St. Jakob war, weil der FCB seit dem 2. August, seit dem damaligen 2:0 gegen den FC Luzern, seinem eigenen Publikum keine auch nur halbwegs vernünftige Darbietung mehr geboten hat, weil sich vielmehr Spiele, Resultate und Atmosphäre in diesen letzten fünf Heimspielen allenfalls in Nuancen unterschieden haben, sei dieser neuesten Auflage eines Matchberichtes kein grosser Platz mehr eingeräumt: Auch Zeitungszeilen sind nicht so wertlos, als dass man sie in verschwenderischem Überfluss vergeuden möchte.
Von Josef Zindel
Deshalb sei nurmehr in ein paar gerafften Stichworten erzählt, wie die 90 samstäglichen Minuten zwischen dem FCB und Xamax verlaufen sind:
Xamax war zu 75 Prozent im Ballbesitz, profitierte dabei von einem FCB, der sich abermals ums Heimrecht foutierte und ausschliesslich auf Konter spielte, so, wie sich sonst Auswärts-teams zu verhalten pflegen, wenn sie besonders vorsichtig sein wollen. Dazu gewannen die Neuenburger die er-drückende Mehrzahl der Zweikämpfe, und weil die Xamax-Spieler im Kopf ganz eindeutig freier waren, entbehrte ihr Sieg nicht der Logik. Er war verdient, er fiel der stilsichereren Mannschaft zu, einer Mannschaft, der zuzuschauen Spass macht und die entscheidend die Handschrift ihres Trainers Gilbert Gress trägt.
Die Tore zum Sieg der Neuenburger schossen der Rumäne Moldovan und der Grieche Drakopoulos, sie taten es jeweils kurz vor Ende der beiden Halbzeiten, das erstemal nach einem blitzsauberen Angriff über Kunz, das zweitemal mit Glück.
Auch die Basler hatten ihre Chancen, zwei, bei freundlicher Betrachtung der Dinge vielleicht deren drei pro Halbzeit, die klar grösste durch Okolosi in der 77. Minute, als der von Smajic freigespielte Afrikaner aus günstigster Position nur die Latte traf. Doch dass der FCB seine Möglichkeiten derzeit miserabel nutzt, ist auch kein neues Kapitel, so dass man auch bei diesem Thema derzeit nicht länger zu weilen gewillt ist.
Vielmehr ist es an der Zeit, angesichts der anhaltenden sportlichen Krise des FCB, angesichts seiner ungebremst schlechten Ergebnisse und Leistungen einige grundsätzliche Fragen aufzuwerfen - losgelöst vom einzelnen Match gegen Xamax, dafür in kausalen Zusammenhang mit dem bisherigen Saisonverlauf gebracht.
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Die Trainerfrage. 0:2 gegen Lugano, 0:1 gegen Lausanne, 1:3 gegen GC, 1:0 gegen YB und 0:2 gegen Xamax - das sind die letzten fünf FCB-Ergebnisse im Stadion St. Jakob. In den Auswärtsspielen gab es diesen eindeutig negativen Trend nicht, da pendelte die Mannschaft zwischen ihren erkämpften Siegen bei Servette (2:1) oder in St. Gallen (1:0) und Pleiten wie in Aarau (0:2) und in Sion (1:4). Sieben Niederlagen in 14 Spielen, ein negatives Torverhältnis, ein Punkteverhältnis, das nur deshalb noch positiv ist, weil mittlerweile die Siege mit drei Zählern belohnt werden, ein zunehmend frustriertes Publikum, eine Mannschaft, deren «Moral ganz unten» ist, wie es am Samstag selbst der Trainer hatte zugeben müssen: Das ist das Fazit der letzten Wochen und Monate.
Ist deshalb nun der Moment gekommen, wo Sie selbst, Didi Andrey, Verständnis für jene haben, die Ihre Position in Frage stellen?
Didi Andery: «Nein, derzeit nicht, nicht jetzt. Denn jede Analyse der Leistungen meiner Mannschaft wird krass beeinträchtigt durch die Tatsache, dass wir riesige personelle Probleme haben. Ich habe in dieser Saison noch nicht ein einzigesmal alle Leute beisammen gehabt, nicht im Training, schon gar nicht im Match. Das ist frustrierend, das ist aber auch eine Tatsache, die die schlechten Leistungen relativiert. Unser Ziel ist jetzt ganz einfach formuliert, es heisst Finalrunde. Die können wir erreichen, die Lage ist keineswegs alarmierend - nur, Spektakel können wir erst dann liefern, wenn ich meine Leute beisammen habe. Wer ehrlich analysiert, ohne Polemik, der stellt jetzt nicht die Trainerfrage, nicht in dieser Situation.»
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Ausreden? Es ist richtig, dass Andrey Personalprobleme hat. Am Samstag sassen diese völlig unerfahrenen Feldspieler auf der Bank: Okolosi, Disseris, Hasler, Kondé (16jähriger B-Junior...). Doch umgekehrt spielten: acht bestandene NLA-Spieler (Huber, Cantaluppi, Walker, Tabakovic, Moro, Smajic, Zuffi, Rey), einer der neuen Ausländer (Nyarko) und zwei U21-Nationalspieler (Yakin, Sutter). Tendiert Didi Andrey grundsätzlich zu Ausreden, liefert er Entschuldigungen oft schon vor dem Match, so wie vor der GC-Partie, so wie am Samstag, als er schon vor dem Spielbeginn einen Appell ans Publikum gerichtet, es im voraus um Verständnis gebeten hatte? Werden da die Spieler nicht schon fast auf Niederlagen «programmiert»?
«Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole - ich habe die Leute derzeit nicht, um bessere Spiele zu erreichen. Das Tief, in dem wir stecken, ist ausschliesslich die Folge von mangelnder Gesundheit zu vieler Spieler, von der Tatsache, dass ich auch immer wieder Spieler einsetzen muss, die nicht genügend fit, konditionell nicht auf der Höhe sind oder die nach Verletzungen eine zu kurze Aufbauphase geniessen konnten: Cantaluppi, Ceccaroni, Moro, Smajic, Zuffi, Nyarko, Moser - das ist das halbe Kader. Gewiss, ich könnte Nachwuchsleute einsetzen, doch das jetzt, in dieser schwierigen Lage zu tun, wäre reine Alibibi-Übung. Diese jungen Leute sind noch nicht soweit, um in einer kritischen Situation eingesetzt zu werden, die verheize ich nicht.»
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Die System-Frage. Der Vorwurf: Andrey «doktert» zuviel an der Taktik, am System herum. Er hat ohne Zwänge jene 4-4-2-Taktik, die er zuvor zwei Jahre lange spielen liess, nach Ende der letzten Saison geändert, und als das nicht klappte, begann er immer wilder zu experimentieren, setzte Spieler nicht am gewohnten Ort ein (Zuffi, Ceccaroni, Cantaluppi, der zum Beispiel gegen Xamax innert 90 Minuten drei verschiedene Positionen einnehmen musste), er passt die Taktik viel zu fest dem Gegner an, statt dem Gegner das eigene System aufzuzwingen. Seine Mannschaft reagiert fast nur, agiert aber zu selten.
«Diese Vorwürfe weise ich zurück. Richtig ist, dass meine Taktik nicht die gleiche ist, wenn der Gegner, wie YB, mit einer Spitze antritt, oder, wie Xamax, mit drei Angreifern. Doch meine Philosophie ist klar: Ich möchte, dass wir unser Spiel spielen - nur: Im Moment ist nicht der Zeitpunkt, Philosophien umzusetzen. Zum System: Ich spiele entweder 3-4-3 oder 4-4-2. Das sind zwei klassische Systeme und keine Experimente.»
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Wird Andrey verstanden? Es gibt Indizien, die dafür sprechen, wonach die Spieler oft nicht verstehen, was Andrey meint. Der FCB-Trainer ist intelligent, analytisch stark, engagiert, seine Deutschkenntnisse sind mehr als ausreichend, sich auszudrücken. Gleichwohl bleiben Fragen: Spricht er nicht mit seinen Spielern oft zu kompliziert, redet er ihnen nicht den Kopf voll, so dass sie zwar noch zuhören, aber nicht mehr aufnehmen, was der Trainer sagt, was er meint, gerade in den Dingen, die das System betreffen und die bei den häufigen Änderungen ein ordentliches Mass auch an geistiger Flexibilität verlangen?
«Ich rede, erkläre, arbeite, wir trainieren, üben, haben Teambesprechungen. Die Eindrücke, dass ich nicht verstanden werde, kann ich nicht bestätigen.»
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Fitness. Gegen Xamax war dies nicht der Fall, in Partien zuvor aber, namentlich gegen Aarau, Lausanne, GC und YB, hatte man als FCB-Beobachter den Eindruck, zu viele Spieler seien viel zu wenig spritzig, nicht fit genug, hätten schwere Beine. Trainiert der FCB richtig?
«Die Dosierung des Trainings ist tatsächlich eine grosse Frage, doch die darf man nicht so allgemein stellen. Man nenne mir Namen aus meinem Kader - und ich erkläre, weshalb der im Moment fit ist oder eben weniger. Wir reden untereinander nicht selten über diese Frage, meine Spieler dürfen und sollen in der Dosierung des Trainings mitreden, in diesem Punkt höre ich auch ganz individuell auf den einzelnen. Doch grundsätzlich sind unsere Spieler physisch auf dem notwendigen Level - ausser, ich muss, wie halt häufig in letzter Zeit, wegen Personalnot auch solche einsetzen, die eigentlich nicht parat sind.»
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Transferpolitik. War die Transferpolitik des letzten Sommers richtig, wurden nicht zu voreilig Spieler weggeschickt, die man jetzt brauchen könnte (Hertig, Steingruber, Jeitziner)? Ist das Geld gescheit angelegt worden? Und warum eigentlich sieht man einen wie Didy Andrey nie auf den Plätzen der regionalen Erst- und Zweitligisten, dort, wo eigentlich eine Pfründe für die Zukunft liegen könnte?
«Ich bin nicht bereit, immer und ewig wieder unsere Vereinspolitik in Frage zu stellen. Die ist, so denke ich, richtig, unsere Transfers waren durchdacht. Das einzige, was mir ganz und gar nicht ins Konzept passte, war der Weggang von Gigon. Für die Talentbeobachtung auf den Amateurplätzen habe ich Mitarbeiter, die können das, die berichten mir kompetent, die reichen für dieses Niveau. Ich konzentriere mich auf andere, wichtigere Arbeiten - und auf die Beobachtung unserer Gegner.»
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Und nun, wie weiter? Die statistische Lage des FCB ist zwar tatsächlich noch nicht alarmierend, aber kritisch - der Vorspung auf den «Strich» ist unkomfortabel. Wie soll es also mit dem FCB weitergehen, um den Sturz in die Abstiegsrunde zu vermeiden und das Publikum wieder zurückzugewinnen?
«Wir haben nur eine Wahl: Wir müssen weiter arbeiten, mit hundertprozentiger Solidarität innerhalb der Mannschaft, wobei ich betonen will, dass ich in der Beziehung niemandem den geringsten Vorwurf machen kann und will. Solange ich aber diese Personalprobleme habe, bleibt die Gefahr solch frustrierender Spiele bestehen. Sobald ich einmal wunschgemäss arbeiten und entsprechend das Team aufstellen kann, werden sich auch wieder Fortschritte einstellen, davon bin ich absolut überzeugt, und deshalb ist es auch nicht der Moment, an dem ich mich und meine Arbeit grundsätzlich in Frage stellen will oder muss.
(Die Antworten in Kursivschrift stammen durchwegs von FCB-Trainer Didi Andrey.)
Quelle: Basler Zeitung vom 16.10.1995