FC Sion
FC Basel
FC Sion - FC Basel 4:1 (4:0)
Datum: 01.10.1995, 14:30 Uhr - Wettbewerb: NLA Qualifikationsrunde 1995/96 - 12. Runde
Stadion: Tourbillon (Sion) - Zuschauer: 8'500
Schiedsrichter: Serge Muhmenthaler
Tore: 21. Quentin 1:0. 27. Kombouaré 2:0 (Foulpenalty). 36. Mirandinha 3:0. 45. Kombouaré 4:0 (Foulpenalty). 73. Smajic 4:1 (Foulpenalty).
Gelbe Karte: 41. Mirandinha (Foul). 71. Walker (Unsportlichkeit). 82. Quentin (Foul).
Rote Karte: 32. Orlando (hartes Foul).
FC Sion: Lehmann; Sylvestre, Herr, Kombouaré, Quentin; Mirandinha, Wicky, Fournier (61. Moser), Bühlmann; Chassot (84. La Placa), Bonvin (61. Giallanza).
FC Basel: Huber; Olsen; Tabakovic, Walker; Moro (73. Moser), Nyarko, Smajic, Orlando; Cantaluppi, Rey, Yakin (56. Sutter).
Bemerkungen: Sion ohne den verletzten Vercruysse. FC Basel ohne die verletzten Ceccaroni, Zuffi und Meier sowie ohne Okolosi (überzählig).
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Die schlimmste FCB-Halbzeit seit Jahren: 0:4 zur Pause, 1:4 am Ende
Eine massive Niederlage erlitt der FC Basel in seinem Auswärtsspiel im Wallis: Er verlor gegen den FC Sion mit 1:4 (0:4) den Match und - schon nach 30 Minuten - Orlando durch (einen harten) Platzverweis.
Sion. Alex Nyarko kämpfte gegen die Tränen, Hakan Yakin hockte allein auf der Bank, schaute gedankenverloren und mit leeren Augen in die Walliser Berge hinauf. Trainer Didi Andrey eilte von Spieler zu Spieler, bemüht um ein Trostwort für diesen oder um einen aufmunternden Klaps für jenen seiner niedergeschlagenen, fassungslosen Fussballer. Nur Marco Walker gab aufrecht und tapfer dem Fernsehen ein Interview. Dabei wär's wohl auch ihm am liebsten gewesen, sich für ein paar Stunden zu verkriechen.
Denn es waren erst ein paar Minuten her, seit Schiedsrichter Muhmenthaler den gestrigen Match in Sion abgepfiffen - und damit ein 90minütiges Leiden des FC Basel endlich beendet, hinter eine der schlimmsten Darbietungen des Basler Clubs seit seinem Aufstieg den Schlusspfiff gesetzt hatte.
Eine massive FCB-Niederlage war's in der Tat dieses 1:4, und wer nun einwendet, ein derartiges Ergebnis sei im Fussball keine absolute Seltenheit, der sei daran erinnert, dass dieses 1:4 ein nur ungenaues Schlussresultat war.
Denn es gibt nicht wirklich wider, wie schlimm der Match in den ersten 45 Minuten in jeder Beziehung gegen den FCB gelaufen war, so schlimm halt, dass man der Reihe nach vorgehen muss, um die entscheidenden sechs Szenen zu schildern:
· Nach ausgeglichener, offener Startphase, in der noch nichts ein derartiges Basler Debakel hatte vermuten lassen, wurde Rey in der 19. Minute nach Smajic' Vorarbeit durch Wicky am 0:1 gehindert.
· In der 21. Minute machte Quentin umgekehrt aus der ersten gefährlichen Sittener Aktion mit einem Fallrückzieher das 1:0. Es war der Beginn der chaotischsten 25 FCB-Minuten seit 1893.
· Denn in der 27. Minute schon foulte Tabakovic Bonvin. Kombouaré durfte seinen ersten Penalty treten - 2:0.
· Ist ein 0:2 auf fremdem (Walliser) Boden schon ein Resultat, das im Normalfall nicht mehr zu korrigieren ist, so kam für die letzten Aufrechten im Team des FCB das endgültige k.o. In der 32. Minute: nach einem harten Foul von hinten in die Beine Mirandinhas warf Muhmenthaler den Basler Orlando vom Platz. Zu zehnt hatte der FCB nun noch eine lange Stunde vor sich - und das mit zwei Goals im Rückstand.
· Die fünfte Szene mit entscheidendem Charakter folgte wenig später (36.), als Mirandinha nach Bonvins Pass davon ziehen und das 3:0 erzielen durfte - ein strittiges Goal, vielleicht offside, vielleicht aber auch regulär.
· Der sechste und letzte «Hammer» gegen den FCB folgte Sekunden vor der Pause, als Moro Bühlmann von hinten foulte und Kombouaré zu seinem zweiten Elfmetertor schreiten durfte - 4:0 in der 45. Minute.
Dass es am Ende nur 4:1 hiess, dass der FCB, der durchaus auch sechs, sieben eigene Torchancen hatte (!), am Ende wenigstens noch halbwegs gnädig davon kam, verdankte er Smajic' Penalty-Tor nach einem Foul von Kombouaré an Cantaluppi (73.). Doch eine wirkliche Geschichte hatte diese zweite Halbzeit nicht mehr - angesichts der ersten 45 Minuten war man mit «Geschichte» freilich auch genug bedient.
Zu sagen sind nach diesem Debakel zwei Sachen:
Erstens lief gestern alles, aber auch wirklich alles gegen den FCB. Die Basler hatten kein Milligramm Glück.
Zweitens aber spielte der FCB in den entscheidenden Phase des Matches schlicht miserabel. Es herrschte das nackte Chaos in der Abwehr, im Mittelfeld bekam keiner den überragenden Wicky in Griff, diesen jungen Mann aus Steg, der immer mehr Spielmacher-Qualitäten verrät - und das mit seinen 18 Jährchen. Er, die Yakins und der GC-Spieler Vogel sind die grössten Schweizer Fussball-Hoffnungen für die Zeit nach der EM 1996.
Doch zurück vom Lob an den FC Sion, das nur von der Kritik am FCB ablenken könnte, wieder hin zur Basler Fussball-Realität. Und die ist derzeit nicht freundlich - ein paar weitere Zahlen belegen es: Seit dem 2:0 gegen den FC Luzern am 2. August hat der FCB in acht Spielen nur noch vier Tore zustande gebracht. Das allein liegt nicht nur am Fehlen Zuffis, sondern am mangelnden Spielaufbau von den hinteren Reihen heraus. Das galt auch für gestern - und von gestern zu sagen, das Team sei besonders gut auf seinen Gegner eingestimmt und eingestellt worden, wäre zudem eine massive Übertreibung.
Fakt ist vielmehr, dass sich die Abkehr vom 4-4-2 erneut nicht ausgezahlt hat, dass die Massnahme, Moro auf der rechten Aussenseite spielen zu lassen, nicht griff, dass drei Stürmer dem FCB nichts bringen ausser Löcher im Mittelfeld, dass nur Goalie Huber gut spielte und dass der zu Saisonbeginn eingefahrene Punktestand langsam aber sich bröckelt - übermorgen gegen YB sind drei Punkte mehr denn je Pflicht, um nicht beim Stichwort «Finalrunde» gleich wieder ins Bibbern zu geraten.
Immerhin machte beim FCB nach diesem Flop-Match keiner den Fehler, die Schuld anderswo zu suchen. Gewiss, Ref Muhmenthaler war nach dem Match ein Thema und richtig ist auch, dass man den Grenchner Fifa-Mann schon oft mit weniger diskutablen Entscheiden gesehen hat.
Doch zu sagen, Muhmenthaler wäre gestern in den am meisten diskutierten Szenen falsch gelegen, wäre Augenwischerei. Die beiden Penalties gegen den FCB waren zu hundert Prozent korrekt, das dritte Tor ein Fall wie beim 1:0 des FCB vor ein paar Wochen gegen St. Gallen - ein Sekundentscheid zwischen richtig oder falsch.
Am umstrittensten war Muhmenthalers rote Karte für Orlando. Mirandinha war in der fraglichen Aktion keineswegs hinterster Mann, es war deshalb kein Torraub. Das sprach gegen «rot». Umgekehrt langte Orlando klar und hart von hinten zu - ohne Chance, den Ball zu erwischen. Das rechtfertigte «rot». Würden alle Schiedsrichter bei solchen Szenen wie Muhmentahler entscheiden, wäre nichts dagegen einzuwenden. Die meisten Refs folgen aber den an sich klaren Weisungen nicht - ist das nun der Fehler Muhmenthalers, dass er den Schutz der Stürmer zum Nennwert nimmt?
Deshalb: Der FCB verlor nie und nimmer wegen des Refs. Er verlor, weil er einen Tag erwischte, den es mit Vorteil zu vergessen gilt, und zwar ein bisschen plötzlich, wenn man bitten darf - bis allerspätens übermorgen, bis zum Spiel gegen YB halt... Josef Zindel
Quelle: Basler Zeitung vom 02.10.1995