Presseschau

Berner Zeitung vom 25.09.2018

Haben die Fussballfans auf Vorrat protestiert?

FUSSBALL Die Fans von YB und Basel protestierten gemeinsam gegen eine E-Sports-Meisterschaft im Schweizer Fussball. Doch: Ob das Projekt realisiert wird, ist ungewiss.

Die Szenerie ist surreal: Zuerst verlassen Dutzende YB-Fans ihre Kurve, dann kehren sie wieder zurück und werfen schliesslich Tennisbälle und Controller von Spielkonsolen auf den Kunstrasen. Für einen Moment wird am Sonntag das Spektakel zwischen den Young Boys und Basel (7:1) unterbrochen, was bei einem Grossteil der über 31 000 Zuschauer für Irritation sorgt. Als sich in der zweiten Halbzeit das Prozedere wiederholt – diesmal mit dem Basler Anhang in der Hauptrolle –, wird klar: Die beiden Fanlager machen gemeinsame Sache. Doch wofür genau?

Licht ins Dunkel bringt die YB-Fanvereinigung «Ostkurve Bern» mit einer Stellungnahme. Gemäss dieser will die Swiss Football League (SFL) im März 2019 eine eigene E-Sports-Liga starten. Jeder Club müsste dafür Spieler engagieren, die ihn in virtuellen Meisterschaften des Fussballgames «Fifa» vertreten. Zudem soll es künftig für die Teilnahme an der höchsten Spielklasse gar als Lizenzauflage gelten, ein E-Sports-Team zu stellen. «Dies hat mit unserem Sport und den Werten unseres Vereins rein gar nichts zu tun! Hier geht es nur um den Profit!», heisst es in der Stellungnahme.

YB gibt sich zurückhaltend

Der stellvertretende SFL-Mediensprecher Silvio Kern bestätigt zwar, dass es ein entsprechendes Projekt gebe. «Doch weder gibt es einen Entscheid, ob diese E-Sports-Liga zustande kommt, noch, wann das der Fall wäre.» Weil mit Basel, St. Gallen, Lausanne und Servette vier Vereine bereits E-Sports-Abteilungen installierten – also professionelle Gamer anstellten –, klärte die SFL ab, ob ein Bedürfnis seitens der Clubs bestehe, eine entsprechende Meisterschaft zu führen. An einer der nächsten Generalversammlungen dürfte das Strategiepapier den Clubs vorgestellt werden, diese haben dann auch das letzte Wort über die Einführung einer E-Sports-Liga. Und Kern betont: «Es ist uns allen unverständlich, wie die Fans auf die Idee kommen, dass so etwas im Lizenzreglement festgehalten werden könnte.»

Fakt ist: E-Sports wird im Profisport immer wichtiger. In der Bundesliga haben mehrere Clubs Zocker angestellt. Und der FC Basel beispielsweise hat erst kürzlich die Verträge mit seinen drei E-Sportlern, zwei Deutschen und einem Zürcher, verlängert. Das Ziel ist klar: Weil der E-Sports-Markt wächst, erhofft sich die FCB-Führung, ein Stück vom Kuchen abzuschneiden.

Die Verantwortlichen der Young Boys verhalten sich im Bezug auf E-Sports «beobachtend und abwartend», wie sie mitteilen. «Wir haben registriert, dass sich in diesem Gebiet neue Märkte aufgetan haben. Gleichzeitig stehen wir bedingungslos dafür ein, dass unser Kerngeschäft der Fussball auf dem Rasen ist und selbstverständlich auch bleiben wird.» Die Clubverantwortlichen halten zwar fest – unter Berücksichtigung der Rollenverteilung –, immer ein offenes Ohr für die Fans zu haben. Doch betonen sie auch, dass Aktionen wie jene vom Sonntag YB schaden. Schliesslich muss der Meister nun mit Sanktionen seitens der Liga rechnen. Marco Oppliger

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