Presseschau

Tages-Anzeiger vom 25.09.2018

Ein Absturz mit Anlauf

Analyse Das 1:7 am Sonntag bei YB bestätigt, was beim FC Basel seit dem Neuanfang im Sommer 2017 alles schiefgelaufen ist. Marco Streller ist als Sportchef das Gesicht des Misserfolges.

Thomas Schifferle

Die Sonne brannte noch vom Himmel, als in der «Sonntags-Zeitung» stand: «Unter Marcel Koller hat der FC Basel das Siegen wieder gelernt.» In Basel flirrte die Luft vor Euphorie. Das war am 26. August. Die Krise zum Saisonstart schien überwunden.

Vier Wochen ist das jetzt her, nur vier Wochen, und in Basel ist die Stimmung, als hätte es nie einen Aufbruch unter Koller gegeben, nie sechs Siege in Folge. Die Stimmung kündet vielmehr schon fast von Weltuntergang – in diesen Stunden nach dem 1:7 in Bern.

«Fakt ist, wir waren scheisse heute», bringt es Fabian Frei nach dem Match auf den Punkt, nicht elegant, aber deutlich. Es ist die einzig gute Leistung eines Baslers an diesem Sonntag im Stade de Suisse.

Rot-Blau liegt am Boden, geschüttelt von der ernüchternden Erkenntnis, dass sich mit einem Trainerwechsel allein der Schaden nicht beheben lässt, den die Chefs des Vereins angerichtet haben. Bernhard Burgener als Präsident und Marco Streller als Sportchef tragen die Hauptverantwortung dafür.

Es ist unvergessen, wie sie im April 2017 an die Öffentlichkeit platzten und gleich einmal aufs Saisonende hin Meistertrainer Urs Fischer absetzten. «Wir haben in Basel nicht mehr das gleiche Feuer wie vor drei, vier Jahren», behauptete Streller und zeichnete das Bild von einem Verein, der zum Ende der Ära von Präsident Bernhard Heusler und Sportchef Georg Heitz müde und matt geworden war von Siegen und Titeln.

Der FCB sollte nicht mehr nur einfach gewinnen, wie er das unter Fischer konstant tat; er sollte auch wieder Spektakel bieten für ein zunehmend verwöhntes Publikum. Der Präsident verkündete, sich an Bayern München zu orientieren. Der Sportchef redete von einem jüngeren Basel mit mehr Baslern. Zusammen plauderten sie von ganz viel Rot-Blau.

Sie waren Lehrlinge in ihren Funktionen. Burgener konnte sich fussballerisch nur mit Kleinigkeiten schmücken – etwa in der Nähe des St.-Jakob-Parks aufgewachsen und ein Freund von Karl Odermatt zu sein. Streller, das war immerhin ein Volksheld, der den FCB über Jahre als Spieler geprägt hatte. Erwar bekannt für sein überschäumendes Temperament. Und so trat er auch als Sportchef auf. Im Hochgefühl des Frühjahrs 2017 sagte er: «Vier bis acht Junge im Kader zu haben, das ist realistisch. Im Moment ist der Abstand zu den Young Boys so gross, dass man dieses Risiko eingehen kann.» Mit 17 Punkten Vorsprung gewann der FCB damals den Titel vor YB.

Dann ging Heusler und mit ihm seine Führung. Im vergangenen Sommer sass er einmal an einem Abend in einem Restaurant am Barfüsserplatz, als ein Fan auf ihn zukam und sagte: «Du bist nicht blabla! Du bist bravo!» Übersetzt hiess das: Er sei kein Schwätzer, sondern ein Grosser.

Heusler hatte über die Jahre eines stets betont: Erfolg sei weder Selbstverständlichkeit noch Selbstläufer. Wie recht er damit gehabt hat, beweist sein Nachfolger. Burgener überliess es der sportlichen Führung, Raphael Wicky zum Trainer zu machen. Das war noch einer, der bis dahin nie auf dieser Stufe gearbeitet hatte, noch einer, der trotz ein paar Siegen in der Champions League bald überfordert war. Wicky durfte über den Sommer hinaus Trainer bleiben, obschon es intern Zweifel an ihm gab. Sechs Tage und zwei 1:2-Niederlagen gegen St.Gallen und gegen Paok Salonikiwar die neue Saison alt, als der FCB ihn panikartig fallen liess.

Alex Frei wurde zum Interimscoach gemacht, Frei ist der U-18-Coach, der auch im Verwaltungsrat sitzt und deshalb da eigentlich nichts verloren hat. Er musste das Scheitern in der Champions-League-Qualifikation gegen Paok verantworten und hob zur grossen Rede an: «Wir haben in der Champions League nichts verloren.» Das sagte dann alles darüber aus, wie falsch die Basler Führungsriege – inklusive Frei – die Qualitäten des Teams eingeschätzt hatte. Die Königsklassewar ein Zielvon Burgener.

Und dann kam Koller, es war aufgrund seiner Erfahrung und Erfolge die bestmögliche Wahl in dieser Situation. Streller zeigte sich? bei dessen Präsentation demütig: «Marcel Koller und ich werden sicher darüber reden, wie meine Rolle aussieht, wie die Rolle des Präsidenten aussieht.»

Mit dem neuen Trainer gewann der FCB die Spiele gegen GC, gegen Sion, zweimal gegen Vitesse Arnheim, gegen Montlingen im Cup und daheim gegen Apollon Limassol in der Europa-League-Qualifikation. Er gewann, ja, aber nur irgendwie, ohne wirklich zu überzeugen. Kaum stand in der Zeitung, der FCB habe das Siegen wieder gelernt, ging es abwärts.

Der erste Tiefpunkt war das 0:1 bei Limassol, mit dem erstmals seit 14 Jahren die Gruppenphase eines Europacup-Wettbewerbs verpasst wurde. «Eine der schlimmsten Niederlagen in meiner bisherigen Karriere», sagte Fabian Frei. Der zweite folgt am Sonntag in Bern, als beim FCB gleich alles auseinanderfliegt. Koller trägt seinen Teil dazu bei, indem er allen Ernstes glaubt, mit dem 19-jährigen Okafor und dem 20-jährigen Pululu auf den Seiten bestehen zu können – gegen die Duos Mbabu/Fassnacht und Benito/Sulejmani.

Das Gesicht des Misserfolges ist Streller. Er schwärmte von Ricky van Wolfswinkel. Er nannte Dimitri Oberlin «eines der grössten europäischen Talente». Er wollte mit Fabian Frei und Valentin Stocker zwei frühere Spieler zu FCB-Leadern machen, die in der Bundesliga durchgefallenwaren, vor allem Stocker. Oder er nannte die Verpflichtung von Silvan Widmer einen «Transfercoup». Das hat alles viel Geld gekostet, zum Beispiel die Fantasiesummen von jeweils 5 Millionen Franken für Oberlin und Widmer. Aber nicht einer von ihnen hat die Erwartungen auch nur annähernd erfüllt. Das ist Strellers Schicksal.

Als Nationalspieler, der wegen seiner Basler Herkunft polarisierte, fragte er sich einmal: «Mensch, was kriege ich auf die Mütze?» Jetzt muss er richtig leiden. Misserfolg und Kritik setzen ihm so sehr zu, dass er, der sonst gerne redet, längst nur noch schweigt.

Morgen Abend spielt der FC Basel gegen Luzern. Streller stellt sich besser nicht vor, was bei einer weiteren Niederlage los ist.

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