Presseschau

Basler Zeitung vom 25.09.2018

Öltanker gegen Segelboot

Nach der denkwürdigen Niederlage gegen YB stellt die BaZ 7 Fragen zu 7 Gegentoren

Von Marcel Rohr, Tilman Pauls und Oliver Gut

1. Was sagt die 1:7-Niederlage gegen die Young Boys aus?

Das Resultat stellt die aktuellen Stärkeverhältnisse sowie den Formstand der beiden Clubs dar: Während die Berner vor Selbstbewusstsein nur so strotzen, passt das 1:7 zur Krise des FC Basel und reduziert sich keinesfalls nur auf die schlechte Tagesform der Rotblauen. Die Basler hatten am Sonntag schlicht nicht die Qualität des Gegners. Auch andere Teams haben schon Spitzenspiele klar verloren – beispielsweise tauchten die Dortmunder Ende März 2018 gleich mit 0:6 in München gegen die Bayern. Aber es war schon naiv, wie die Basler in der Endphase (und mit einem Mann weniger) in die Konter der Berner liefen.

Das 1:7 zeigt, dass der stärkste Club der Schweiz aktuell aus Bern kommt. Und dass der FC Basel sportlich gesehen nicht mal der erste YB-Verfolger ist.

2. Was hat Trainer Marcel Koller falsch gemacht?

Der FCB-Trainer hatte drei Wochen lang Zeit, seine Mannschaft auf dieses kapitale Spiel vorzubereiten. Doch selbst der Cupmatch in Echallens half nicht, die Automatismen zu verfeinern oder dem Team Sicherheit zu vermitteln. Seine Spieler waren in Bern nicht bereit.

Wie schon beim 0:1 in Zypern gegen Apollon Limassol hatte Koller bei der Personalwahl nicht das geschickteste Händchen: Gegen YB entschied er sich im offensiven Zentrum für Afimico Pululu und gegen Luca Zuffi. Es mutet seltsam an, wenn der Trainer ständig darauf hinweist, dass seiner Elf Routine abgeht, er dann aber im entscheidenden Moment die Erfahrung auf der Ersatzbank lässt. Nicht verstanden hat es Koller bis heute, die Anzahl der Gegentore zu reduzieren, wobei vor allem das Abwehrzentrum anfällig wirkt und die Basler in Bern bei Standardsituationen hinterherschauten.

3. Worin sind die Young Boys dem FCB als Mannschaft überlegen?

Öltanker gegen Segelboot – so wirkte das Duell am Sonntag in Bern zumindest im physischen Bereich. Die YB-Spieler platzen momentan gerade vor Selbstvertrauen, sie stehen hoch und drücken den Gegner an die Wand. Der neue Trainer Gerardo Seoane war schlau genug, die Meistergruppe nur in Nuancen zu verändern. Die Mannschaft hat das 4-4-2-System in Fleisch und Blut, jeder kennt seine Aufgabe.

Überdies ist die Ersatzbank hervorragend besetzt – gegen den FCB sassen dort Lauper, Garcia, Nsame, Bertone, Schick und Assalé. Beim FCB hingegen ist das Kader derzeit auf mehreren Positionen nicht ausreichend besetzt, weil den Baslern mit Omlin, Stocker, Campo, Suchy und Zambrano fünf Akteure verletzt fehlen. Dazu kam am Sonntag der gesperrte Taulant Xhaka.

4. Welches sind die grössten Fehler in der Kaderentwicklung?

Seit Monaten ist die Innenverteidigung der grösste Problembezirk der Basler: Nach dem Abgang von Manuel Akanji im letzten Winter suchte erst Raphael Wicky und experimentiert nun Marcel Koller nach der perfekten Besetzung. Dank Verletzungen, Sperren und nicht zuletzt unzureichenden Transfers ist die perfekte Abstimmung im Zentrum aber noch immer nicht gefunden.

Auch die Aussenverteidigung hat für einige Diskussionen gesorgt. Nach dem Transfer von Michael Lang kam Silvan Widmer erst spät zum Kader hinzu. Weil sich ausserdem Taulant Xhaka vor dem Saisonstart verletzte, konnte das Team die Automatismen in der Vorbereitung nie einstudieren. Zu reden gibt auch die Besetzung der Seiten etwas weiter vorne: Ricky van Wolfswinkel ist auf rechts nicht die ideale Besetzung, dafür rangeln links mit Noah Okafor, Kevin Bua und Dimitri Oberlin drei Spieler um Einsatzzeit.

Kommt noch hinzu, dass es in sämtlichen Mannschaftsteilen an Spielern mit Persönlichkeit mangelt.

5. Was hat das alles mit Raphael Wicky zu tun?

Auf den ersten Blick hat der ehemalige FCB-Trainer nichts mit diesem 1:7 in Bern zu tun. Auf den zweiten Blick allerdings schon. Immerhin ist Wicky auch für die Zusammensetzung des aktuellen Kaders verantwortlich. Dass die Basler zu wenig Wasserverdrängung bieten, das hat nämlich durchaus mit Wickys Fussball-Vorstellung zu tun: Der 41-Jährige hat seine grössten Erfolge in der Champions League dank schnellem Umschalt-Fussball gefeiert. Da hatten physisch starke Spieler weniger Platz als schnelle Athleten wie Oberlin, Bua oder Elyounoussi. Und auch die Not in der Innenverteidigung hat mit Wicky zu tun: Weil er Frei fest in der Viererkette eingeplant hatte, schauten sich die Basler erst nach dem Trainerwechsel nach einem neuen Verteidiger um.

Zudem könnte das Kader generell etwas anders aussehen, wenn Wicky bei Transfers nicht immer so lieb gewesen wäre, wie stets zu hören ist. Dann hätte der FCB gegen Bern vielleicht andere Spieler auf dem Feld gewusst, die das 1:7 hätten abschwächen können.

6. Worum geht es jetzt sportlich überhaupt noch?

Acht Wochen nach der Vorstellung von Marcel Koller steht der Trainer wieder dort, wo er am 2. August begonnen hat. Es geht darum, dass die Mannschaft so schnell wie möglich stabilisiert wird, um den Rückstand auf die Young Boys nicht noch grösser werden zu lassen. Vor allem anderen muss jetzt allerdings der zweite Platz das Ziel sein, von dem sie aktuell nur zwei Punkte trennen.Zudem müssen die Basler sich auf den Cup konzentrieren, wo sie am 31. Oktober auf den FC Winterthur treffen.

Und ganz abgesehen davon geht es für jeden einzelnen Spieler auch darum, sich zu beweisen, damit er von Trainer Koller weiterhin berücksichtigt wird.

7. Befindet sich der FC Basel jetzt in einer existenziellen Krise?

Nein. Ein Fussball-Club, der im Gegensatz zur gesamten nationalen Konkurrenz mehrere Millionen Franken an Reserven verfügt und gerade Spieler für über 50 Millionen Franken verkauft hat, befindet sich nicht in einer existenziellen Krise. Doch der FCB muss aufpassen. Denn neben der sportlichen Krise befindet er sich auch in einer Führungskrise, die ihren Weg bis auf den Rasen gefunden hat (vgl. Seite 3).

Der Blick nach Bern zeigt, was alles möglich ist, wenn ein Club geschlossen und ruhig in eine Richtung arbeitet. Und der FCB ist gut beraten, die Defizite in der Führungsriege zu beheben, damit er auch weiterhin nicht in seiner Existenz bedroht ist.

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