Presseschau

Basler Zeitung vom 23.05.2018

Fest der Muttenzerkurve eskaliert in Birsstrasse

Nach Saisonende prügelten Ultras aus Basel und Hooligans aus Zürich und Karlsruhe aufeinander ein

Von Martin Regenass

Basel. Die Farbe der zwei neusten FCB-Kunstwerke bei den Birsbrücken nahe des Stadions St.-Jakob-Park war noch nicht trocken, da kursierten im Internet bereits Handyvideos einer wüsten Strassenschlägerei in und um die Birsstrasse. Anwohner filmten schwarz und weiss gekleidete Männer, die sich schreiend prügeln und mit Schlagstöcken Autos traktieren oder Autolenkern eine Strassenabsperrung in den Weg stellen. Auf einem Video liegt ein Mann am Boden und ein anderer tritt mit einem Fuss auf ihn ein.

Es sind dies um 23 Uhr die letzten Szenen der zu Ende gegangenen Fussballsaison 2017/2018, die medial weiterverbreitet werden. Der FC Basel hat gegen den FC Luzern etwas mehr als zwei Stunden zuvor die Saison mit einem Unentschieden beendet. Auf der Plattform hinter der Muttenzerkurve haben Anhänger des Vereins eine kleine Schlussfeier organisiert, während der Leute in weissen Schutzanzügen unter den Brückenpfeilern zwei neue Schriftzüge hinmalen. Es dürften Ultras aus der rot-blauen Fanszene sein, denn die Malereien enthalten einmal das FCB-Logo und einmal die Aufforderung «vorwärts». Wie FCB-Sprecher Simon Walter bestätigt, hätten Akteure aus der Muttenzerkurve dieses Fest organisiert. Walter: «Es war ein Fest für alle Fans des FC Basel 1893. Es ist in einem absolut friedlichen Rahmen verlaufen.»

Fest auf Plattform als Angriffsziel

Für das Fest auf der Plattform mag das stimmen. Offenbar aber haben davon über soziale Medien ein paar Hooligans aus Zürich Wind bekommen und sind nach Basel gereist, um die Festivitäten zu stören und sich mit FCB-Ultras zu prügeln. Wie die Basler Staatsanwaltschaft mitteilt, seien in die Schlägerei rund 90 Personen involviert gewesen. Zu den rund 30 weiss gekleideten Malern seien rund 60 weitere Personen – wohl aus beiden Lagern – hinzugekommen.

Wie auf einer deutschen Webseite mit dem Namen Faszination Fankurve zu entnehmen ist, sollen die Zürcher Hooligans der Gruppierung «Zürichs kranke Horde» mit dem Kürzel ZKH angehören. René Gsell, Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft, bestätigt, dass dieses Kürzel auf T-Shirts von beteiligten Schlägern gesichtet worden sei. Weiter heisst es auf der deutschen Fanseite, dass die Zürcher von Hooligans aus Karlsruhe unterstützt worden seien. Solche Verbindungen unter Hooligans von verschiedenen Vereinen gibt es wie Städtepartnerschaften.

Autos beschädigt

Die Internetseite interpretiert die auf dem Netz kursierenden Videos dahingehend, dass die Basler Ultras die Zürcher Hooligans zurückdrängen und in die Flucht schlagen. «Während des Rückzugs greifen FC-Basel-Fans die Autos der ursprünglichen Angreifer massiv an, zerstören Scheiben und Spiegel an den Autos und sorgen für Beulen sowie weiteren Sachschaden», heisst es auf «Faszination Fankurve».

Wer die mitgefilmten Szenen betrachtet, der stellt sich die Frage, ob nicht einfach zufällig passierende Fahrzeuge mit ahnungslosen Dritten darin angegriffen werden. Wie René Gsell von der Staatsanwaltschaft sagt, hätten bis gestern keine Meldungen von beschädigten Autos von Unbeteiligten vorgelegen. Von einem massiv zerbeulten und zertrümmerten Jeep Cherokee werde noch immer der Fahrer gesucht. «Das Auto haben wir feststellen können, der Lenker aber hat gefehlt.»

Dies könnte darauf hinweisen, dass der Jeep-Fahrer an der Schlägerei gewesen ist und die Konsequenzen fürchtet. Auf der anderen Seite lassen die Schläger von einem daherfahrenden Kleinwagen sofort ab und er kommt ohne Beule davon. Dies deutet darauf hin, dass die Basler Unbeteiligte erkannten und unbehelligt liessen.

Die eingeschrittene Polizei überprüfte von den mutmasslich 90 involvierten Schlägern insgesamt 14 und nahm deren Personalien auf. Es handelt sich um neun Schweizer, zwei Italiener, einen Mann aus El-Salvador sowie zwei Deutsche, die vorübergehend festgenommen worden sind. Alle Männer sind im Alter zwischen 20 und 35 Jahren. Die Staatsanwaltschaft hat gegen sie Verfahren wegen Raufhandels eröffnet. Mehrere Personen haben sich gemäss Staatsanwaltschaft nach der Schlägerei selbstständig ins Spital begeben.

Politiker fordert Massnahmen

Dölf Brack, Experte für Hooliganismus, ist erstaunt über den Vorfall. Solche Überfälle von gegnerischen Hooligans an Spielen ohne Beteiligung ihrer eigenen Mannschaft seien in den 90er-Jahren noch vermehrt vorgekommen. Heute sei das kaum mehr der Fall. Zu den Beweggründen, dass sich solche Fans überhaupt prügeln müssten, sagt Brack: «Es geht um den Adrenalinkick und darum sich zu messen und zu zeigen, wer stärker ist.» Brack prophezeit eine Retourkutsche.

Beim FCB will sich Sprecher Simon Walter nicht «substanziell» zu den Vorkommnissen äussern, da sie sich nach Spielende und «deutlich» ausserhalb des Stadions zugetragen hätten. Er sagt aber: «Wir verurteilen Gewalt in jeder Form auf das Schärfste.»

Genug von solchen gewalttätigen Chaoten hat FDP-Landrat Marc Schinzel. «Ich gehe an kein Super-League-Spiel mehr, bis wir in diesem Bereich sichtbare Fortschritte machen. Dieser Stand ist inakzeptabel.» Schinzel fordert, dass die Polizei vor und nach den Spielen die Schraube anzieht. «Dazu gehört auch, dass die Polizei angehaltene Schläger über eine längere Zeit verhaftet, sodass auch der Arbeitgeber von den Eskapaden seines Arbeitnehmers vernimmt.»

Wie Polizeisprecher Toprak Yerguz auf Anfrage sagt, habe an jenem Abend nichts auf eine Schlägerei hingedeutet: «Als mehrere Dutzend Polizistinnen und Polizisten am Einsatzort eintrafen, sind die meisten Beteiligten geflohen.» Die Polizei habe konsequent eingegriffen und Personen auch in Büschen anhalten und kontrollieren können.

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