Presseschau

Basler Zeitung vom 23.04.2018

Ein Spektakel im Wallis – ganz für YB

Mit dem 2:2 (1:1) in Sion öffnet der FC Basel das Feld für eine Berner Meisterparty am Samstag

Von Marcel Rohr, Sion

Durchschnaufen, hinsetzen, Schweiss abwischen. Und sich dieses verrückte Fussballspiel nochmals durch den Kopf gehen lassen. Das 2:2 zwischen dem FC Sion und dem FC Basel war das spektakulärste Liga-Spiel in dieser Saison mit rotblauer Beteiligung. Ein 94-minütiger Daueraufreger, in dem die beiden Teams mit fast schon kindlicher taktischer Naivität nach vorne rannten. Zur Freude der 12 800 Zuschauer. Und zum Entsetzen der beiden Trainer an der Seitenlinie, Raphael Wicky und Maurizio Jacobacci, die sich im Minutentakt die Haare rauften.

Den allerletzten Brüller gab es Sekunden vor dem Abpfiff. Der ungemein starke Pajtim Kasami kam im Strafraum der Basler frei zum Schuss, Keeper Tomas Vaclik war geschlagen, doch Raoul Petretta schlug vor der Torlinie im Stil eines Zirkusakrobaten den Ball weg. Eine halbe Minute später lagen alle Spieler ausgepumpt auf dem Rasen und rangen nach Sauerstoff. Und im Schatten sagte der Basler Trainer Raphael Wicky: «Das war eine Hitzeschlacht, auf dem Rasen hatte es weit über 30 Grad.»

Noch ein grosses Heimspiel

Als die Spieler kühl geduscht hatten, genügte ein Blick auf die Super-League-Tabelle, damit das Adrenalin bei allen sofort wieder normal floss. Mit dem achten Unentschieden in dieser Saison öffnet der FC Basel das Feld für eine Berner Meisterparty, die ziemlich sicher am nächsten Samstag im Stade de Suisse über die Bühne gehen wird. Mit einem Sieg über Luzern ist YB der Titel vier Runden vor Schluss nicht mehr zu nehmen. Gestern fegte der Leader Schlusslicht Lausanne gleich mit 4:1 weg. Das YB-Stadion dürfte in den nächsten Stunden ausverkauft sein. Der FC Sion dagegen zeigte, wie viel Potential in dieser Mannschaft steckt. Dennoch bleiben sie auf dem vorletzten Platz kleben – fast ein Hohn nach diesem Wochenende.

Die anstehende gelb-schwarze Meistersause wird den FC Basel nicht gross kümmern. Er hat genug Arbeit vor sich nach diesem verpatzten Frühling 2018. Das 2:2 im Tourbillon offenbarte einmal mehr, dass dem rotblauen Riesen der Vorjahre in allen Mannschaftsteilen die absolute Klasse abgeht. In der Abwehr liess er zu viel zu, «viel zu viel», wie Wicky rasch anfügte. Im defensiven Mittelfeld gingen ihm mitunter Disziplin und Power ab; es ist augenfällig, wie schmalbrüstig die Mannschaft nur schon physisch daherkommt.

Und in der Offensive lässt dieser FC Basel immer noch viel zu viele Torchancen liegen. Der grösste Sünder diesbezüglich war in Sion Mohamed Elyounoussi. In der 72. Minute stand der norwegische Nationalspieler plötzlich alleine vor dem Tor der Sittener. Anstatt den Konter mit einem scharfen Schuss abzuschliessen, dachte Elyounoussi an die Galerie und dribbelte weiter – eine Todsünde für einen Spieler, der in Europa ein Grosser werden will.

In diesem Moment stand das Schlussresultat bereits fest, die vier Tore fielen zwischen der 11. und 52. Minute. Beim FCB glänzte der wiederentdeckte Mittelstürmer Ricky van Wolfswinkel mit zwei Toren (11./52.). Für die Walliser trafen dazwischen Carlitos per Foulpenalty (42.) zum 1:1 sowie Cunha (47.) zum 2:1. Der Brasilianer mit Jahrgang 1999 war der beste Mann auf dem Platz.

Noch fünf Kehrausbälle

13 Punkte Vorsprung auf den neuen Dritten Luzern haben die Basler, dazu 13 Zähler Rückstand auf die souveränen Young Boys – es ist definitiv noch schwerer geworden, die restlichen fünf Saisonspiele nicht als Kehrausbälle zu deklarieren. Davon will Raphael Wicky natürlich nichts wissen. Für den FCB-Coach geht es auch darum, weiter das Kader für die neue Saison zu sichten. Gestern liess er als Linksverteidiger wieder einmal Raoul Petretta laufen, der Newcomer des letzten Herbsts enttäuschte schwer. In der Innenverteidigung zeigte Léo Lacroix bis zu seiner verletzungsbedingten Ersetzung, dass er defensiven Ansprüchen vollauf genügt. Ein Spielmacher ohne PS ist weiterhin Samuele Campo, welcher unzählige Zweikämpfe verliert. Auch Kevin Bua ist am Flügel zu wenig konstant, um sich dauerhaft zu empfehlen. Aber zu viel Kritik ist nicht angebracht. Nicht nach diesem atemraubenden 2:2 in der Hitze der Walliser Frühlingssonne.

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