Presseschau

NZZ vom 07.12.2017

Das nächste Ziel im Visier

Basel schaut nach dem Achtelfinal-Einzug in der Königsklasse auf die Liga

Michele Coviello, Lissabon

Marco Streller ist kein Goalgetter mehr, er ist Sportchef im FC Basel, im dunklen Mantel über dem feinen Anzug. Aber seine Leidenschaft kann er wie damals im Trikot nicht verbergen. «In dieser Gruppe zwölf Punkte zu erzielen, ist schlichtweg unglaublich», sagte er am Dienstag in Lissabon mit Stolz.

Der FCB hat zum vierten Mal die Runde der besten 16 Teams Europas erreicht, und das mit so vielen Punkten wie noch nie. 2002 waren es 9 Zähler mit zwei Siegen, 2011 gewann er dreimal und erzielte 11 Punkte und 2014 bloss 7 Punkte bei zwei Siegen. In dieser Kampagne hat er nun neue Massstäbe gesetzt: Mit dem 5:0 im September feierte der FCB gegen Benfica den bisher höchsten Champions-League-Sieg, er hat seinen Punkterekord gebrochen und viermal gewonnen, immer zu null. Das alles in einer Gruppe mit Benfica, ZSKA Moskau und Manchester United. «Schlichtweg unglaublich», sagt Streller. Zu Recht.

Kritische Geister relativieren dies allerdings: Benfica hat sich mit null Punkten überraschend schwach präsentiert, der Sieg gegen Manchester kam zustande, als für die Engländer ein Weiterkommen schon fast feststand. Es gibt Beobachter, die anmerken, dass der stets erwähnte Basler Umbruch gar nicht so einschneidend gewesen sein soll, denn ein Gerüst an erfahrenen Spielern im Kader sei geblieben. Das sind alles richtige Argumente, und doch darf sich der FCB diese Qualifikation als grosse Errungenschaft gutschreiben lassen.

Sein Angriff ist nach den Abgängen von Marc Janko und Seydou Doumbia komplett neu und sehr jung, der Königstransfer Ricky van Wolfswinkel fiel früh verletzt aus, der Captain Matias Delgado verliess nach Runde 1 in der Meisterschaft das Boot, und der Trainer Raphael Wicky hatte es zuvor noch nicht mit Fussballern mit Bartwuchs zu tun gehabt. Dass sich Basel nun nur fünf Monate später gegen drei Schwergewichte durchgesetzt hat, ist trotz allen relativierenden Umständen beachtlich – noch mehr, wenn man bedenkt, dass auch der gesamte Überbau des Klubs, das ganze Management, neu ist.

Und fast auf Anhieb hat alles funktioniert, den mässigen Start in der Liga ausgeklammert. Es ist, als hätten sie im Casino eine Münze in die slot machine geworfen und den Jackpot geknackt. Rund 34 Millionen hat Basel mit dieser Kampagne verdient. «An zwölf Punkte hatten wir nicht geglaubt», sagte Wicky. Aber Fussball ist kein Glücksspiel. Der Erfolg basiert auf richtigen Entscheiden. «Wir wussten, dass wir Qualität haben.» Eine zusätzliche war, nicht nervös zu werden aufgrund der fehlenden Resultate im Herbst. «Wir hatten schwierige Phasen», sagte Wicky, «aber wir haben viel gesprochen, sind ruhig geblieben, haben weitergemacht.» Sein Sportchef Streller sagte es so: «Manchmal muss man eine Idee haben und diese durchziehen.» Nicht jeder Klub, schon gar nicht in der Schweiz, kann von sich behaupten, eine Strategie zu haben – und noch weniger, dass diese mit Überzeugung weiterverfolgt wird.

Diejenige des FCB mit einem offensiven Spiel mit verjüngtem Personal war gewagt. Aber gestützt von Kompetenz und Vertrauen in diese Idee. Sie bringt nun Millionen ein – und sorgt für gute Aussichten. Dieser Coup hilft dem Schweizer Fussball, in der Fünfjahrewertung der Uefa nicht auf den 16. Platz zurückzufallen. Andernfalls hätte die Schweiz nur noch einen Platz in der Champions-League-Qualifikation für den Meister zur Verfügung, und dieser müsste zudem drei Runden überstehen, um in die Gruppenphase zu gelangen.

Mit dem derzeitigen 15. Rang dürfte die Schweiz auch in der Saison 2019/20 die gleiche Ausgangslage wie in der nächsten (2018/19) haben: Der Meister ist nicht mehr direkt für die Gruppenphase qualifiziert und muss in die Play-offs. Der Zweitplacierte der Super League hat sogar drei Hürden zu nehmen.

Aus dieser Optik bekommt die heimische Liga wieder eine ganz andere Bedeutung für Basel. Der Zugang zu den Achtelfinals ist ein Erfolg. Aber will man wieder im Konzert der Grossen mitmischen, wäre der 2. Rang suboptimal. «Geniessen wir diesen Moment», sagte Streller, «aber wir haben unser grosses Ziel, wieder Meister zu werden, und am Samstag steht das nächste Spiel an.» Feiern ist gut, aber nicht zu sehr, will er damit sagen. YB hat vier Punkte Vorsprung. Es werden spannende Monate.

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