Presseschau

Aargauer Zeitung vom 07.12.2017

Der entscheidende Faktor

Fussball · Raphael Wicky hat mit seinem Wissen und seinem Führungsstil den FC Basel zu dem gemacht, was er heute ist

Céline Feller, Lissabon

Raphael Wicky lässt sich nichts anmerken. Vielleicht hat er es auch einfach nicht gehört. Vielleicht aber hat er es auch einfach still für sich genossen, was da gerade passiert ist. Auf dem Weg zum Gate vor dem Abflug zurück nach Basel beklatschen einige Fans den Trainer des FC Basel. Nicht die Spieler, die vor Wicky denselben Weg beschritten haben, sondern Wicky. Denn die Anhänger des FC Basel wissen genau, was sie an diesem 40-jährigen Walliser haben, der seit diesem Sommer an der Seitenlinie des Meisters steht.

Als die neue Vereinsleitung der Basler im April bekannt gibt, dass Wicky ab Sommer Urs Fischer ersetzen würde, kommen Fragen auf. Kann der das? Einer, der bis zu diesem Zeitpunkt einzig Erfahrungen im Nachwuchsbereich gemacht hat? Ist diese mutige Entscheidung womöglich ein zu hohes Risiko? Mittlerweile ist klar: Nein, das war es nicht. Es war vielmehr der perfekte Entscheid. Mit Wicky sind die magischen Nächte zurück nach Basel gekommen. Und egal, wen man beim FC Basel fragt, sie sind sich alle einig: Raphael Wicky hat einen riesigen Anteil an dem, was sich beim FC Basel gerade abspielt und am Dienstagabend in der Qualifikation für die Achtelfinals gipfelte.

«Nicht hoch genug anrechnen»

Wicky galt schon lange als einer der talentiertesten Trainer des Landes. Immer zeichnete ihn ein grosses taktisches Verständnis aus – schon als Spieler. Er kann das Spiel lesen, versteht die taktischen Finessen. Um das auf höchster Ebene als Trainer unter Beweis zu stellen, braucht er nicht lange. Schon in den Testspielen lässt er seine Mannschaft in diversen Formationen auflaufen. Er befreit sie aus dem 4-2-3-1, an welchem in den beiden Jahren vor Wicky nichts zu rütteln war. Aber Wicky experimentiert. Er hat Mut. Grossen Mut. Als er beispielsweise Matías Delgado von der Zehner-Position vor die Abwehr zieht, hält ihn keiner für wahnsinnig – sondern viel mehr für genial. Natürlich muss auch Wicky in seine Rolle hineinwachsen, wie auch er zugibt. Seit fünf Monaten erst steht er in der Super League an der Seitenlinie. Er ist neu in diesem Business, auch wenn man sich das manchmal gar nicht vorstellen kann. Mit einer Leichtigkeit findet er Lösungen. Aus einer statisch wirkenden Mannschaft formt er ein Team, das problemlos in einem Spiel das System wechseln kann. Dreierkette, Viererkette, Doppelsturm oder alleinige Spitze – unter Wicky geht alles. «Dass die Mannschaft so schnell umschalten kann, beeindruckt mich als Ex-Profi am meisten», erklärt Sportchef Streller. «Er ist unser Leader, es waren seine Ideen, die uns dahin gebracht haben, wo wir jetzt sind», sagt Marek Suchy und spricht das 3-4-3 an, mit dem der FCB international für Furore sorgt. Suchys Stellvertreter Michael Lang meint gar, dass «man Wicky nicht hoch genug anrechnen kann, was er aus der Mannschaft rausgeholt hat». Ob nun Streller, Lang oder Suchy – es ist egal, wen man im Moment beim FC Basel auf Wicky anspricht, sie alle sind voll des Lobes.

«Wie einer von uns»

Es sind aber nicht nur die taktischen Kniffe, die für das hohe Ansehen des Trainers sorgen. Sondern vor allem auch seine Art und Weise, wie er führt. Ob in der Tristesse oder im Triumph – Wicky ist ruhig. Auch, als die Mannschaft in die Mini-Krise abrutschte, lässt er sich nicht verunsichern. «Er hörte nie auf, an seine Entscheidungen zu glauben, bewahrte immer kühlen Kopf und liess uns sein Vertrauen in uns spüren. Das ist ungemein wichtig», betont Suchy. Für ihn ist Wicky «zwar der Chef, aber wie einer von uns». Statt seine Spieler zu verunsichern, steht er ihnen zur Seite. «Wenn jemand einen offensichtlichen Fehler gemacht hat, dann stoppt er bei der Spielanalyse das Video nicht extra. Dann sagt er bloss: «Ich weiss, wie es ist, wenn man in Sekunden-Bruchteilen entscheiden muss», nennt Suchy ein Beispiel. Solche Dinge seien es, die die Zusammenarbeit mit Wicky so angenehm machen würden.

Etwas Negatives über den FCB-Coach erzählt zu bekommen, ist in der momentanen Lage unmöglich. Zu Recht. Denn Wicky ist der entscheidende Faktor. Seine kommunikative, authentische und ruhige Art haben aus dem FCB gemacht, was er jetzt ist. Er selber aber nimmt sich nicht so wichtig. Lieber betont er, dass er ohne seinen Staff «nix wäre». Dass er zwar der ist, der vorne hinsteht, «die Arbeit, die machen wir aber alle zusammen». Raphael Wicky ist ein Teamplayer. Einer, mit ganz klaren Ideen zwar, aber auch einer, der sich über kontroverse Diskussionen freut. Denn er weiss, woher er kommt, und dass er noch lernen muss. Dass er wenig Erfahrung hat. «Es ist alles sehr schnell gegangen», sagt er darauf angesprochen und lächelt, fast schon etwas verlegen. «Ich muss das alles noch etwas verarbeiten.» Realisiert habe er es noch nicht, was da gerade passiere. Und damit meint er nicht nur den Applaus auf dem Weg zum Gate.

Zurück