Presseschau

SonntagsZeitung vom 05.11.2017

Schmetterlinge zählen mit Bernhard Burgener

Fussball, Marmor, Winnetou – wer den Besitzer des FC Basel besser verstehen will, muss ein paar gedankliche Abzweigungen mitgehen

Florian Raz

Pratteln Plötzlich sind wir im Südtirol und zählen Schmetterlinge. Angedacht war ein Interview zum FC Basel vor dem Spitzenspiel gegen die Young Boys. Aber so ein beschränktes Themenfeld ist vielleicht gar nicht möglich, wenn der Gesprächspartner Bernhard Burgener heisst. Weil beim FCB-Besitzer vieles ineinanderfliesst.

«Das nur so nebenbei», sagt Burgener meist, wenn sein Gehirn gerade eine neue Verknüpfung hergestellt hat, und das Gespräch die nächste Haarnadelkurve nimmt. Und natürlich dreht es sich dann nicht um Nebensächlichkeiten. Es geht mitten hinein in das, was diesen 60-Jährigen umtreibt, der da in einem Raum mit dunklen Möbeln sitzt, die sicher einmal modern waren. Manchmal springt Burgener unvermittelt auf, eilt in sein Büro, greift hier einen Ordner oder sucht da auf dem iPad eifrig nach Präsentationen.

Die «Weltwoche» schrieb, Burgener werde «nicht selten für den Kofferträger gehalten, wenn er aus dem Wagen steigt». Natürlich hat ihm jemand den Text geschickt. Er lächelt, weil er glaubt, dass es ihm hilft, wenn er unterschätzt wird. Auch deswegen betont er stets, er wolle nicht mit Erfolgen prahlen. Aber aufzählen muss er sie irgendwie trotzdem. Es ist ihm wichtig, dass die Leute verstehen, woher er kommt. Und das geht nicht ohne all seine Projekte und Ideen. Auf die Bemerkung, dass er scheinbar alles sammle und aufbewahre, das ihn mit Stolz erfülle, sagt er: «Ja, das ist mein Leben.»

Bis zum Ende des Besuchs zeigt er unter anderem: das Konzept, mit dem er sich für das FCB-Präsidium beworben hat. Den schreibmaschinegetippten Businessplan, mit dem er 1982 den Kredit für seine erste Videothek erhielt. Die Idee der «World Boxing Super Series». Klickund Zuschauerzahlen der Plattform «Sport 1». Die Geschichte der still gelegten Laaser Marmorbrüche, die er als sein wohl verrücktestes Projekt wiederbelebt hat. Ein Protokoll, das beweist, dass der FCB den Ende August verpflichteten Stürmer Albian Ajeti bereits im Mai als Transferziel festgelegt hat. Die sieben Punkte, die er selbst bei diesen und allen anderen Geschäften befolgt. Etwa: «Schlechte Neuigkeiten will ich sofort wissen, gute können warten.»

Und eben: Schmetterlinge. Plötzlich liegt da dieser Bericht über den Einfluss des Marmorabbaus auf die Biodiversität am Stilfserjoch. «Hier: 392 Schmetterlingsarten wurden identifiziert», zeigt Burgener. Gibt dann zu: «Ich habe davon ja keine Ahnung.» Und liest doch zoologische Fachnamen vor. Einfach, weil sie ihn für einen kurzen Moment faszinieren. Wahrscheinlich muss sich diese Fähigkeit zu staunen bewahren, wer mit Geschäftsmodellen Erfolg haben will, die von anderen nicht gesehen oder totgesagt werden.

Irgendwann fügen sich die Zahlen, Projekte und Namen zu einem Bild

Drei Stunden nimmt sich Burgener, um über sich, den FCB, seine Firmen zu sprechen. Möglicherweise spürt er, dass er diese Zeit braucht, um sich richtig zu präsentieren. Und tatsächlich: Nach 60 Minuten verändert sich das Gespräch. Vielleicht wird Burgener lockerer, vielleicht gewöhnt man sich an seinen Erzählstil. Irgendwann fügen sich all die durcheinanderwirbelnden Zahlen, Businesspläne, Projekte, Videos und Namen zu einem durchaus stimmigen Bild.

Burgeners Geschichte ist die eines Aufsteigers. 1957 als Kind eines Walliser Paars geboren, das wegen der Arbeit nach Basel gezogen ist, wächst er in bescheidenen Verhältnissen auf. Doch er hat Träume. Der Fussball im alten St.-Jakob-Stadion, ganz nah an seinem Zuhause, fasziniert den Buben. Nicht, weil er selbst mitspielen möchte, sondern wegen der Atmosphäre. Wenn der neue Winnetou-Film anläuft, kann es sein, dass er drei Vorstellungen hintereinander sitzen bleibt. Bis heute fasziniert ihn das Showgeschäft. Filme, Sport – Unterhaltung halt. Und schon als er das Gymnasium für eine KV-Ausbildung hinwirft, weil alle Kollegen bereits Geld verdienen, nur er nicht, hat er diese Idee im Kopf: der eigene Chef sein, die eigene Firma leiten. Mit 28 ist er Millionär.

Heute vermarktet er die Champions League und die Wiener Philharmoniker, er ist im Filmgeschäft und beim Eurovision Song Contest dabei. Eben hat er einen Sieg im hart geführten Machtkampf um sein Firmenkonstrukt errungen. Kürzertreten, weil er genug Geld dazu hätte? So ist er nicht. Auch wenn er schon mal das Risiko eingeht, ein Geschäft zu verpassen, weil er die Ferien mit seiner Frau und den beiden Kindern nicht für einen Trip nach Saudiarabien unterbrechen mag. Die Saudis reisen dann halt zu ihm ins Tessin.

Burgener glaubt in seinem Erfolg als Unternehmer an Konzepte. «90 Prozent des Erfolgs hängen von einem guten Plan und der richtigen Vorbereitung ab.» Er glaubt nicht an Aktionismus: «Man muss an seinem Plan festhalten. Wer einfach so etwas ändert, macht die Dinge meist schlimmer.» Und er vertraut Mitarbeitern, die sich in seinen Firmen hocharbeiten. Überhaupt stützt er sich auf Menschen, die auf ihrem Gebiet mehr Fachwissen besitzen als er.

Auf den FCB umgelegt, bedeutet das, dass er im sportlichen Bereich auf das Fachwissen der Ex-Profis Marco Streller, Alex Frei und Massimo Ceccaroni setzt. Dass Trainer Raphael Wicky nicht gleich in der ersten Krise entlassen werden darf. Und dass die eigenen Junioren Platz erhalten sollen.

Das klingt alles vernünftig. Und doch hat Burgener ein Problem mit der Aussenwahrnehmung als FCB-Präsident: Er hat meistens keine drei Stunden, um sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dann setzen sich seine gedanklichen Ausflüge zu anderen Firmen, seine Zahlen und Beispiele nicht zu etwas Ganzem zusammen. Und die Zuhörer, zuletzt mit Burgeners Vorgänger Bernhard Heusler an einen blendenden Rhetoriker gewöhnt, bleiben mehr oder weniger irritiert zurück.

Wie zuletzt, als ein Gast beim Talk des «Regionaljournals» wissen will, was die Aufgabe des von Burgener in den Vorstand berufenen Jean-Paul Brigger sei. Burgener verheddert sich, erzählt von «Internationalisierung», verliert das Publikum. Und als der Fragesteller meint, er sei so schlau wie zuvor, erklärt Burgener erst, es sei falsch, Brigger CEO zu nennen, «das haben die Medien so hingestellt», ehe er überraschend dem im Publikum sitzenden Karli Odermatt das Wort übergibt. Und der Basler Fussballheld, dank Burgener im Verwaltungsrat der FCB Holding, sagt als Erstes über Brigger: «Er ist unser CEO.»

Für den FC Basel plant Burgener «ein paar Überraschungen»

Vielleicht müssen sie in Basel darauf vertrauen, dass Burgener besser darin ist, Fragen zu stellen, als darin, sie öffentlich zu beantworten. So kommt er jeweils zu neuen Geschäftsideen. Etwa wenn er liest, dass ein Boxkampf zwischen Manny Pacquiao und Floyd Mayweather 600 Millionen Dollar Umsatz macht. Da leuchten seine Augen: «Da will ich wissen, wie das geht.» Und wenn er dann feststellt, dass es keinen Premium-Anlass gibt wie in anderen Sportarten, «kein Wimbledon, keine WM, keine Tour de France des Boxens», dann gründet er den kurzerhand selber.

Auch beim FC Basel sieht er sich als einer, der die Leitplanken setzt – um dann bei der Umsetzung den Mitarbeitern die entscheidenden Fragen zu stellen. Auf Ideen scheint er dabei schon gekommen zu sein. Jedenfalls erwähnt er nebenbei: «Wir haben noch ein paar Überraschungen geplant.» Man nimmt es ihm nach drei Stunden in seinem Büro sofort ab.

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