Presseschau

Tageswoche vom 23.06.2017

Raphael Wicky: «Es wäre vermessen zu sagen: Vergesst alles, was bisher war»

Mit lediglich 18 Spielern hat Raphael Wicky am Donnerstag seine Arbeit als neuer Cheftrainer beim FC Basel aufgenommen. Der Rest stösst im Trainingslager dazu. Die Reduzierung des 33-Mann-Kaders ist die vordringlichste Aufgabe für die sportliche Leitung des Schweizer Meisters. Von Christoph Kieslich

Da stehen sie nun also auf dem Trainingsplatz in der Brüglinger Ebene. All die Neuen beim FC Basel, von Wicky bis Gaugler, von Streller bis Lombardo. Ein paar Junge aus dem Nachwuchs sind beim Trainingsstart des FC Basel dabei, etliche Nationalspieler fehlen noch. Es gibt in Ricky van Wolfswinkel einen neuen Goalgetter und in Zdravko Kuzmanovic einen, den man schon fast vergessen hatte.

Viele neue Gesichter also nach dem grossen, selbstgewählten Umbruch beim Schweizer Meister, aber auch genügend bekannte, so dass man sich in der mittäglichen Gluthitze nicht ganz einsam vorkam. Und ausserdem waren die Abläufe die althergebrachten. Ein leichter Aufgalopp auf dem Platz, ein paar Passübungen und ein kleines Spiel. Das wars dann schon. Am Samstag geht es ins Trainingslager an den Tegernsee, da wird der neue Cheftrainer dann die Zügel schon etwas anziehen.

Schliesslich gibt es einiges zu tun. Es wird zwar nicht alles anders werden beim FCB, aber Raphael Wicky will seine Ideen vermitteln, und er ist sich bewusst: «Wir müssen relativ schnell liefern.»

Was Urs Fischer mit dem Gewinn des Doubles hinterlassen hat, ist so gross, dass es an einem Hitzetag wie dem Donnerstag einen milden Schatten spenden würde. Auch das weiss Wicky, der Novize auf dem Cheftrainersessel. Sein Vorteil ist deshalb, dass er seit vier Jahren beim FC Basel ist, dass er die jungen Spieler kennt, die nun zum Kader der ersten Mannschaft gehören, und für ihn natürlich auch die etablierten Profis keine Bücher mit sieben Siegeln sind.

Den Spielern ist er am ersten gemeinsamen Arbeitstag morgens in der Garderobe gegenübergetreten, ohne eine grosse, grundsätzliche Ansprache zu halten. Die soll folgen, wenn die Gruppe am Wochenende wieder vollständig beieinander ist. Wicky, gerade 40 geworden, überlässt es den Spielern, ob sie ihren Vorgesetzten Siezen oder Duzen, egal ob sie zu den Älteren oder Jüngeren zählen. Das habe er, sagt Wicky, auch schon im Juniorenbereich so gehalten: «Die Anrede ist mir nicht so wichtig. Es geht darum, wie man sich dem anderen gegenüber verhält.»

Ausleihen – das Mittel zur Kaderreduzierung

Eine der aktuellen Baustellen des Serienmeisters ist die angestrebte Reduzierung des Kaders. Das ist bei laufenden Verträgen kein einfaches Unterfangen. Marc Janko (Sparta Prag), Daniel Hoegh (Heerenven) und Seydou Doumbia (Sporting Lissabon?) sind weg, doch es sind inklusive der zuletzt ausgeliehenen Spieler immer noch 33 Akteure. Das ist zuviel. Wicky schwebt die Idealgrösse von 20 bis 22 Feldspielern vor, mit denen er die tägliche Trainingsarbeit machen will.

Um sechs Spieler könnte sich die Gruppe in den nächsten Tagen oder Wochen reduzieren: Jean-Paul Boëtius steht vor dem Absprung (Feyenoord Rotterdam), und Andraz Sporar soll an einen Zweitbundesligisten ausgeliehen werden. Mit Cedric Itten (zuletzt nach Luzern ausgeliehen) soll der Vertrag zwar verlängert werden, aber eine weitere Ausleihstation gefunden werden. Das gleiche gilt für Eray Cümart und Mirko Salvi (beide zuletzt in Lugano), wobei Goalie Salvi vielleicht noch eine Rolle spielen könnte, falls Begehrlichkeiten an Tomas Vaclik konkret werden. Ausserdem wird, wie Sportchef Streller sagt, für Veljko Simic «eine Lösung gesucht».

Das Fragezeichen hinter Kuzmanovic

In den Sternen steht, wie es mit Zdravko Kuzmanovic weitergehen wird. Am Donnerstag tauchte auch er auf dem Platz auf, nach einem Achillessehnenriss ist aber an das volle Trainingsprogramm nicht zu denken. Streller preist die Qualitäten von Kuzmanovic, der vor eineinhalb Jahren im Unfrieden mit Urs Fischer dem FCB den Rücken gekehrt hatte.

Raphael Wicky sagt über Kuzmanovic zwar auch, er sei «ein super Kicker», der Trainer klingt jedoch etwas unterkühlter als sein Sportchef: «Er hat einen Vertrag mit dem FCB (bis 2020; Anm. d. Red.). Er ist hier, und wir werden sehen, wie die Reaktion nach der langen Verletzungspause sein wird.»

Warum Lombardo Co-Trainer wurde

Vorerst muss auch Wicky ein grosses Kader moderieren, in dem ein grosser Konkurrenzkampf herrscht. «Ich übernehme sehr viel Gutes, eine Mannschaft von hoher Qualität, daran hat sich nichts geändert. Und es wäre vermessen zu sagen: Vergesst alles, was bisher war.»

Den Fussball, den sich Wicky mit der ersten Mannschaft des FC Basel vorstellt, skizziert er schlagwortartig: «Ich habe gerne Ballbesitz, die Mannschaft soll dominant sein und den Gegner unter Druck setzen. Und ich will, dass wir mutig auftreten, auch in der Champions League.»

Wicky, der als Profi mit einem defensiven Gewissen auf die Welt gekommen ist, erklärt, warum Massimo Lombardo, Ex-Nationalspieler wie er selbst, sein Wunschkandidat als Assistent war: «Er war ein kreativer, eleganter Spieler, und ich habe mir immer gesagt: Wenn ich mal einen Staff zusammenstellen kann, dann will ich einen dabei haben, der das offensive Element einbringt.»

Der Jugendstil und die Einschränkung

Dabei werden zwei junge Stürmer eine Rolle spielen, mit denen Wicky bis vor Kurzem noch in der Juniorenabteilung zusammengearbeitet hat: Neftali Manzambi, der 20-jährige angolanisch-schweizerische Doppelbürger, der bereits die ersten Super-League-Minuten unter Fischer absolviert hat, sowie Afimico Pululu, ein 18-jähriger Franzose aus Mulhouse.

An beiden schätzt Wicky deren Schnelligkeit sowie Schnellkraft und dass er sie auf allen offensiven Positionen einsetzen kann. «Wir sehen grosses Potenzial», sagt der Trainer. Ob die Youngster allerdings schon in der Lage sind, die durch Janko und Doumbia verloren gegangenen Tore zu ersetzen, muss bezweifelt werden. Deshalb schliesst die sportliche Leitung nicht aus, noch einmal auf dem Markt aktiv zu werden. «Aber vielleicht explodiert ja auch einer der Jungen», sagt Wicky.

Neben Raoul Petretta (Verteidiger) und Dominik Schmid (Mittelfeld), die schon seit längerer Zeit mit der ersten Mannschaft trainieren, stösst aus der U21 auch Pedro Pacheco (Abwehr/Mittelfeld) dazu. Ausserdem will Wicky 14 Tage lang beobachten, wie sich Mittelfeldspieler Robin Adamczyk (20) bei den Profis schlägt. Grundsätzlich hält Wicky zum neu beim FCB ausgerufenen Jugendstil fest: «Es wird nicht einfach einer spielen, weil er jung ist, sondern wenn er gut ist.»

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