Presseschau

Aargauer Zeitung vom 23.06.2017

Alles neu beim FC Basel

Fussball · Der FC Basel startet die neue Saison mit neuer Führung, neuem Trainer und neuem Stürmerstar

Sébastian Lavoyer

Was ist denn hier los? Es ist kurz nach 10 Uhr, als Zdravko Kuzmanovic als erster Spieler am Reporter vorbeipedalt. Nicht das Velo erstaunt, aber die Zeit. Eigentlich war angekündigt, dass das Team zirka um Viertel nach mit dem Training beginnt. Unter Ex-Trainer Urs Fischer tauchte die Mannschaft meist erst zehn bis fünfzehn Minuten später auf als angekündigt. Aber das war einmal. Fischer ist Geschichte. Jetzt ist Raphael Wicky am Drücker. Nach seiner Ernennung zum Cheftrainer Ende April tauchte er ab, verbrachte einige Wochen in den USA bei seiner Freundin.

Anfang dieser Woche begann er in seiner neuen Funktion, gestern leitet er sein erstes Training. Das Interesse ist enorm. Fast 50 Personen erwarten Wicky und sein Team, als sie zum Trainingsplatz auf der Brüglinger Ebene kommen. Mehrheitlich Journalisten, Fotografen, TV-Leute, aber auch vereinzelte Fans sind herbeigepilgert. Die Sonne brennt auf den Platz, das Thermometer steigt im Verlauf des Trainings deutlich über 30 Grad. Wicky sammelt sein Team im Schatten. Eine kurze Ansprache des neuen Chefs, dann übernimmt Konditionstrainer Marco Walker.

Kuzmanovics zweite Chance

Insbesondere zwei Personalien sorgen für Gesprächsstoff: der neue Stürmer-Star Ricky van Wolfswinkel und Rückkehrer Zdravko Kuzmaonvic. Auf Ersterem ruhen grosse Hoffnungen. Der Holländer soll die Abgänge von Seydou Doumbia (20 Tore in der Meisterschaft) und Marc Janko (13 Tore) vergessen machen. Bis jetzt liegt diese Last alleine auf seinen Schultern. Denn am Mittwoch wurde bekannt, dass der Transfer von Albian Ajeti vom FC St.Gallen definitiv nicht zustande kommt. Der Basler Wunschtransfer scheiterte an den zu hohen finanziellen Forderungen der Ostschweizer.

Van Wolfswinkel hat definitiv grosses Potenzial. Letzte Saison erzielt er für seinen Jugendverein Vitesse Arnheim 20 Tore in der Eredivisie, ist zweitbester Torschütze der holländischen Liga. Einst galt er als grösstes Stürmer-Talent Hollands. 2013 wechselt er für 10 Millionen Euro zu Sporting Lissabon. Danach beginnt seine Odyssee: Bis er im Sommer 2016 wieder nach Holland zurückkehrt, spielt er für Norwich, St. Etienne und Betis Sevilla. Warum kommt so einer nach Basel? «Ich war äusserst glücklich in Holland. Darum habe ich auch immer gesagt, wenn ich zu einem anderen Klub gehen sollte, dann nur zu einem wirklich grossen Klub.» Ja, er spricht vom FCB – und denkt an die Sternstunden in der Champions League.

Seine Qualitäten zeigt er schon bei seinem ersten Auftritt in Basel – im Match kurz vor Schluss der Trainingseinheit: Er ist technisch versiert, läuft viel, weicht gerne auf die Seiten aus, hat den Torriecher. Zu diesem Zeitpunkt ist Rückkehrer Kuzmanovic längst wieder weg. Im Herbst 2016 riss er sich die Achillessehne. Er verliess den Klub im Winter zuvor im Streit, überwarf sich mit Ex-Trainer Urs Fischer. Jetzt also ist er wieder da. Bei «60 oder 70 Prozent» sieht ihn Sportchef Marco Streller. Wenn er wieder richtig fit ist, wollen die FCB-Verantwortlichen über seine Zukunft entscheiden. Gut möglich, dass er bleibt. Denn alles ist neu beim FCB. Präsident, Sportchef, Führungsgremium und Trainer. Streller sagt: «Wir haben mit den Geschehnissen letzten Jahres nichts zu tun.»

Das Training ist vorbei. Bevor sich Wicky den Fragen der Journalisten stellt (siehe unten), wendet er sich an Captain Matías Delgado, sagt auf Spanisch: «Und, wars zu hart?» Delgado winkt ab: «Nein, nein. Das war okay.» Überhaupt hat Wicky in dieser ersten Einheit fliessend die Sprachen gewechselt. Alles kein Problem für einen Mann, der als Spieler in der Romandie, Deutschland, Spanien und den USA unter Vertrag stand. Aber nicht nur die sprachlichen Anforderungen sind aussergewöhnlich in Basel. Siege allein genügen nicht, das Publikum lechzt nach Spektakel und internationalen Erfolgen.

Wicky weiss, worauf er sich eingelassen hat, kennt den Druck, die Herausforderung. Auch deshalb hat er auf Massimo Lombardo als Assistenztrainer beharrt. «Wir ergänzen uns perfekt. Ich war ein defensiver Spieler, er kreativ und offensiv. Und als Trainer im Jugendbereich spielten seine Mannschaften einen offensiven, erfrischenden Fussball.» Beide sind sie Neulinge als Trainer im Profi-Fussball – und sie müssen gleich von Beginn weg harmonieren. Sonst wird nicht nur der Auftakt, sondern die ganze Saison brütend heiss.

Zurück