Presseschau

Aargauer Zeitung vom 10.12.2016

Der verrückte Ajeti

Fussball · In Basel wurde Albian Ajeti nicht glücklich – nun kehrt er mit St. Gallen dahin zurück

Sébastian Lavoyer

«Es war wie ein Schlag ins Gesicht für mich», sagt Albian Ajeti (19). Sein Blick klar und direkt auf die Augen seines Gegenübers gerichtet. Die Ellenbogen auf den Knien, die Hände davor gefaltet, in beiden Ohren je ein Diamant-Stecker. Er spricht von der Verpflichtung von Andraz Sporar (22) im Dezember 2015. Zu dieser Zeit steckte er mit dem FC Basel mitten in Vertragsverhandlungen. «Ich wollte eigentlich verlängern», sagt er. Sporar aber war zu viel, der Slowene gab ihm den Rest.

Am 8. Januar 2016, auf den Tag einen Monat nach der Verpflichtung von Sporar, vermeldet Bundesligist Augsburg, dass man Ajeti mit einem Vierjahresvertrag ausgestattet habe. Ajeti sah sich in Basel den Weg verbaut. Erstmals durfte er unter Murat Yakin mit ins Trainingslager der ersten Mannschaft, da war er 16 Jahre alt. Mit 17 debütierte er unter Yakin. Zwar schickte man ihn nach dessen Entlassung zurück in den Nachwuchs, doch im Winter durfte er auch unter Sousa wieder mit dem Fanionteam trainieren, kam zu Einsätzen. Der Portugiese verschwand Richtung Florenz, es kam Urs Fischer. «Mein Verhältnis zu ihm war hervorragend», sagt Ajeti. «Das ein oder andere Mal hat er mich richtig hart rangenommen, aber immer im Positiven. Wir verstanden uns bestens.» Einmal, da habe ihn Fischer zur Seite genommen und gesagt: «Junge, du hast Qualität. Du musst einfach hart trainieren, dann wirst du irgendwann belohnt.»

«Ich bin ein sturer Bock»

Ajeti ist optimistisch, bis Sporar kommt. Er wusste, dass die Konkurrenz bei Basel gross ist. Aber schon als Stürmer Nummer 3 hinter Marc Janko und Breel Embolo lechzte er nach mehr Einsatzzeit. Dass sich seine Situation nicht ändern würde nach der Verpflichtung Sporars, dessen war er sich sicher. Ajeti: «Ich bin ein Sauhund, ein sturer Bock und sehr ehrgeizig. Ich will spielen, zeigen, was ich kann. Die Emotionen der Fans spüren.»

So wie vergangenen Sonntag. Dank eines Ajeti-Doppelpacks schlägt St. Gallen den FC Sion. Die Espen-Fans toben, Mitspieler und Trainer schwärmen von ihm. Endlich scheint Ajeti angekommen, auf jeden Fall wirkt er glücklich, als er von den vergangenen Wochen und Monaten erzählt. Von seinem Wechsel zum FC St. Gallen Ende August. Am Anfang kam er bloss zu Teileinsätzen. Zu lange war er zuvor ohne Einsatz auf höchstem Niveau.

Option auf sechs weitere Monate

Bei Augsburg brachte er es auf einen Teileinsatz in der Bundesliga. Ansonsten sass er auf der Tribüne oder musste in der Regionalliga mit dem zweiten Team ran. Der falsche Weg auch für Augsburgs Sportchef Stefan Reuter: «Albian verfügt über sehr grosses Talent, aber er benötigt regelmässige Einsätze, um sich weiterentwickeln zu können.» Deshalb das Leihgeschäft mit St. Gallen. Eigentlich für ein halbes Jahr, also bis im Winter. Aber Ajeti scheint angekommen: Nach fünf Teileinsätzen zu Beginn und zwei Toren, spielte er die letzten sechs Spiele durch und traf vier Mal. Aus den vergangenen fünf Spielen resultierten für die Ostschweizer drei Siege und zwei Unentschieden. Das hängt zum einen mit Ajeti zusammen, zum anderen aber auch mit der Umstellung von Trainer Joe Zinnbauer auf eine Dreier-Abwehr. «Die Umstellung hat sicherlich entscheidend dazu beigetragen, dass wir stabiler wurden», sagt Ajeti.

Noch vor wenigen Wochen im Tabellenkeller, grüssen die Espen unterdessen vom sechsten Platz, punktgleich mit dem Fünften, GC. Ajetis Anteil am Aufschwung ist offensichtlich. Das Leihgeschäft würde nun enden, doch gibt es eine Option für weitere sechs Monate. Ajeti sagt: «Wir haben einen guten Lauf, ich würde durchaus gerne bleiben.» Definitiv ist das noch nicht, zuerst gibt es noch ein Gespräch mit Sportchef Reuter.

Die Nähe des Zwillingsbruders

Was aber trieb dieses Sturmtalent in die Ostschweiz? Hier kommt sein Zwillingsbruder Adonis ins Spiel. Kurz nach Albians Abgang kehrte auch Adonis dem FCB den Rücken, wechselte zu Wil in die Challenge League. Wie der grössere Bruder Arlind (23), der bei Serie-A-Klub Torino unter Vertrag steht, ist er Innenverteidiger. Auch von den Gesichtszügen und bezüglich ihres Charakters sind sich die beiden Verteidiger ähnlicher als die Zwillingsbrüder. «Ich bin der Hyperaktive im Bund, manchmal sogar ein bisschen verrückt», sagt Albian von sich selbst.

Trotzdem verstehen sich die Brüder blendend. Täglich sind sie in Kontakt, schreiben sich. Die Zwillinge Adonis und Albian sind gar wieder vereint. Albian: «Ich wohne bei Adonis und seiner Verlobten. Sie ist ein Glücksfall für uns beide, kocht und wäscht für uns.» Er geniesst die Betreuung. So sehr, dass es auch mal vorkommt, dass ihn sein Bruder «Pascha» nennt.

Heute kehrt der «Pascha» zurück nach Basel, seine Heimat. Mit FCB-Spielern Manuel Akanji, Taulant Xhaka oder Michael Lang steht er noch immer in Kontakt. Doch für 90 Minuten wird er diese Freundschaften ausblenden und alles für St. Gallen geben. Ajeti: «Das wird ein heisses Spiel. Wir haben einen Lauf und spielen momentan sehr gut, wir können auch in Basel etwas reissen.» Gegen seinen Jugendverein, den er noch immer im Herzen trägt und zu dem er eine Rückkehr nie ausschliessen würde. Einfach noch nicht jetzt und nicht in den nächsten Jahren. Da hat Ajeti Grösseres vor.

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