Presseschau

SonntagsZeitung vom 04.12.2016

Hurra, die Briten kommen!

Der FC Basel braucht am Dienstag zu Hause gegen Arsenal ein kleineres Fussballwunder – etwas, das ihm im St.-Jakob-Park gegen britische Gegner immer wieder gelungen ist

Florian Raz

Das Gefühl haben sie in Basel schon fast vergessen: Wenn der FC Basel in der Champions League gegen Arsenal nicht mindestens einen Punkt mehr holt als Rasgrad gleichzeitig bei Paris St-Germain, ist die europäische Reise der Basler vor der Winterpause beendet. So früh wie nie seit 2009. Seit da spielte der FCB im Frühjahr stets mindestens noch eine Runde, er war zweimal im Achtelfinal der Champions und einmal im Halbfinal der Europa League.

Um diese Serie nicht reissen zu lassen, braucht Basel gegen die übermächtig scheinenden Londoner ein kleines Fussballwunder. Gut, kommt der Gegner aus Grossbritannien: Kaum ein anderer Stil scheint den Baslern besser zu liegen als jener von den Inseln. Natürlich gab es auch ganz profane Niederlagen. Aber überdurchschnittlich viele Sternstunden erlebte der FCB in seinen Heimspielen gegen die Briten.

Die Basler können also aus der Vergangenheit Kraft ziehen. Wobei der Blick auf die Höhenflüge gegen die britischen Gäste auch zeigt, worunter Trainer Urs Fischer derzeit leidet: Der Basler Anhang hat so viele magische Abende erlebt, dass das Aussergewöhnliche im St.– Jakob-Park fast erwartet wird.

28. August 2002

FCB – Celtic Glasgow 2:0

So viel unschuldige Freude gibt es beim FCB seither nie mehr. Erstmals seit 22 Jahren wieder Meister, erstmals in der Qualifikation zur Champions League. Alles kann, nichts muss. Kaum einer in der Stadt glaubt wirklich, dass es in die Königsklasse reicht. Keiner – bis auf Christian Gross. «Niemand ausser mir weiss hier, was es heisst, in der Champions League zu spielen!», knurrt der Trainer vor den Celtic-Spielen. Er hat recht.

Umso ohrenbetäubender der Jubel, als Christian Gimenez und Murat Yakin den FCB trotz einer 1:3-Niederlage in Glasgow doch noch in die Gruppenphase schiessen. Mit Blick auf Hakan Yakin, der mit seinen Pässen die schottische Verteidigung teilt wie einst Moses die See, staunt «The Scotsman»: «Das Basler Mittelfeld liess die Gäste mit seiner Technik wie plattfüssige Fussgänger aussehen.» Gleich am nächsten Morgen klingelt Celtic in Basel durch, um zu fragen, was denn der jüngere Yakin kostet.

Es gibt auch einen Moment, der den Gang des Schweizer Fussballs ändern könnte: Doch Chris Suttons Schuss streift kurz vor dem Abpfiff um Zentimeter am 1:2 vorbei, Bernhard Thurnheer am TV vokalisiert («uiuiui, aiaiai!»), und der FCB verdient erstmals jene Europacup-Millionen, mit denen er bis heute die heimische Liga dominiert.

12. November 2002

FCB – Liverpool 3:3

Ein Unentschieden reicht den Baslern, um die Gruppenphase zu überstehen. Doch der FCB taktiert nicht, er zeigt all das, was den Fuss-Hurra, die Briten kommen! Der FC Basel braucht am Dienstag zu Hause gegen Arsenal ein kleineres Fussballwunder – etwas, das ihm im St.-Jakob-Park gegen britische Gegner immer wieder gelungen ist ball unter Gross in seinen besten Momenten ausmacht: Kraft, Emotionen, Sturm, Drang und den absoluten Glauben an die eigenen Fähigkeiten. Die Basler überrollen den Gegner in der ersten halben Stunde, ohne sich von dessen grossem Namen einschüchtern zu lassen. Rossi, Gimenez, Atouba: 3:0 steht es nach 29 Minuten. Würden Glückshormone echte Flügel wachsen lassen: Der St.-Jakob-Park wäre ein Problem für die zivile Luftfahrt.

Aber das Spiel hätte nicht seine epische Dimension, wäre da nicht das Comeback der Engländer. Der Basler Tank reicht nur für eine Stunde, danach beginnt eine scheinbar endlose Leidenszeit. Murphy, Smicer, Owen: In der 85. Minute steht es 3:3. Basel wankt, aber es fällt nicht.

«Wenn wir noch verloren hätten, wäre wohl das ganze Stadion in Tränen ausgebrochen», denkt Ivan Ergic. Tränen gibt es zwar auch – bloss sind es Tränen der Freude. Wieder einmal trifft sich eine Stadt spontan in der Nacht auf dem unvermeidlichen Barfüsserplatz.

7. Dezember 2011

FCB – Manchester Utd. 2:1

Am Ende sieht es aus, als ob die beiden noch immer bei den Junioren des FC Aesch spielten: Huckepack trägt Marco Streller Kumpel Alex Frei übers Feld. Es gibt nicht viele Fotos, auf denen Frei so gelöst wirkt wie jetzt, da Basel dank den Toren von ihm und Streller das übergrosse Manchester United von Sir Alex Ferguson aus der Champions League geworfen hat; ein Team, das davor in vier Jahren in drei Finals stand. Statt der United erreicht der FCB die Achtelfinals – erstmals in der Clubgeschichte. Streller blickt während der Partie immer wieder auf die Ränge und erlebt «vielleicht nicht den lautesten Abend im Joggeli, aber Magie und Knistern». Die Fans ihrerseits sehen ein Team, das es in der Schweiz so schnell kaum mehr geben wird: Sieben Spieler der Startformation stammen aus dem eigenen Nachwuchs, ein achter wird eingewechselt. Neben den Routiniers Frei und Streller spielen Talente wie Xherdan Shaqiri (20) oder Granit Xhaka (19). Im Tor steht ein gewisser Yann Sommer.

Die Szene des Spiels liefert aber Markus Steinhöfer, der den Ball nach einer Stunde an die Latte des eigenen Tors knallt. Das Stadion überspringt geschlossen einen Herzschlag, und FCB-Trainer Heiko Vogel meint trocken: «An einem guten Tag macht er den rein.»

11. April 2013

FCB – Tottenham 6:3 n. Pen.

Wahrscheinlich die FCB-Partie mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis: Nach einem 2:2 im Hinspiel bieten sich die beiden Teams einen mitreissenden Kampf. 0:1, 1:1, 2:1, 2:2 – es geht in die Verlängerung, vom Himmel regnet es Bindfäden, ein Londoner muss mit Rot vom Feld, Elneny trifft für Basel den Pfosten, und Goalie Sommer kann gar nicht glauben, dass bloss 36 500 Zuschauer anwesend sind: «Es fühlte sich an, als ob ganz Basel im Stadion gewesen wäre.»

Erst kurz vor Mitternacht ist der Kampf entschieden: Zunächst macht Tottenhams Trainer Villas-Boas den Anfängerfehler, dass er einen Engländer den ersten Elfmeter schiessen lässt. Sommer pariert folgerichtig gegen Huddlestone. Und dann tritt Adebayor den Ball hoch in die Basler Nacht. Der FCB steht nach seinem ersten europäischen Penaltyschiessen erstmals im Halbfinal der Europa League.

26. November 2013

FCB – Chelsea 1:0

Ist es das einträglichste Tor der Schweizer Fussballgeschichte? Gut, Mohamed Salah hat zuvor schon zweimal gegen Chelsea getroffen. Aber dieser letzte Streich, dieses 1:0 in der 87. Minute nach einem weiten Ball von Fabian Schär, der explosionsartige Sprint und der kühle Abschluss – all das dürfte den endgültigen Ausschlag gegeben haben: Im Winter überweisen die Londoner für den Ägypter 20 Millionen Franken nach Basel.

Sportlich reicht es dem FCB trotz zweier Siege gegen Chelsea nicht für die Achtelfinals der Champions League. Dafür feiert Trainer Murat Yakin mit Blick auf den grossen Namen auf der Chelsea-Bank einen kleinen persönlichen Triumph: «Jetzt hat mir José Mourinho schon zum zweiten Mal gratuliert. Das ist schon speziell.»

1. Oktober 2014

FCB – Liverpool 1:0

1:5 ist Basel in Madrid untergegangen, die kühle Ich-AG Paulo Sousa auf der Basler Trainerbank steht bereits im Gegenwind, da legt seine Mannschaft dieses Spiel auf den Rasen. 70 Prozent Ballbesitz Mitte der ersten Halbzeit, immerhin noch 55 Ende des Spiels. Sousa ist mutig, er bringt einen 17-Jährigen namens Breel Embolo von Anfang an, er wechselt für einen verletzten Aussenverteidiger den Flügelstürmer Derlis Gonzalez ein.

Streller, der bereits spürt, dass es seine Abschiedssaison wird, trifft zum Sieg. Später wird Basel mit einem 1:1 in Liverpool zum zweiten Mal die Achtelfinals der Champions League erreichen. Im Sommer darauf endet mit Streller die Ära der Basler Urgesteine. Seither wartet die neue FCB-Generation auf ihre magische Nacht.

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