Presseschau

Aargauer Zeitung vom 21.10.2016

Ansteckende Aggressivität

Fussball · Mit Serey Dies Rückkehr auf die internationale Bühne kehrt der Glaube an den FCB zurück

Sébastian Lavoyer, Paris

Er ist ein Kämpfer vor dem Herrn. Eine Floskel, ja. Aber sie passt zu keinem besser als zu Geoffroy Serey Die (31). Zum einen ist der Ivorer tiefgläubig, dankt, wenn man ihn auf seine Genesung anspricht, Gott. Dafür, dass er nach einem Sehnenabriss im Adduktorenbereich und der folgenden Operation wieder mittun kann. Oder besser gesagt: mitkämpfen. Denn kaum ein anderer Spieler lebt so sehr von seiner Aggressivität wie Serey Die.

Anfang April verletzt er sich. Damals noch in Diensten von VfB Stuttgart. Die Schwaben steigen ab, Serey Die wechselt zu Basel. Auch wenn der Ivorer einst im Streit ging. Jedoch nicht mit der Klubführung, sondern mit dem damaligen FCB-Trainer Paulo Sousa. Er hätte auch Angebote in Deutschland gehabt, erzählt er nach seiner Rückkehr. Doch Präsident Bernhard Heusler pflegte den Kontakt zu Aggressiv-Leader Serey Die stets, wünschte ihm gute Besserung nach der OP, erkundigte sich. Spätestens seit Mittwochabend wissen alle, warum sich der präsidiale Einsatz gelohnt hat.

Der FCB verliert zwar in Paris klar mit 0:3. Trotzdem treten die Basler im Vergleich zum Arsenal-Spiel wie verwandelt auf. In London wurden sie phasenweise vorgeführt, in Frankreichs Hauptstadt sorgen sie für Staunen bei manch einem Pariser. Was ist der Grund für diesen Wandel? FCB-Trainer Urs Fischer ist überzeugt, dass die England-Erfahrung diesbezüglich eine wichtige Rolle spielt. «Unsere Mannschaft ist nicht allzu routiniert – gerade auf internationaler Bühne. Darum sind auch solche Erlebnisse wie beim Spiel gegen Arsenal wichtig. Das gilt für alle.» Damit meint er mit Sicherheit auch sich selbst. Denn er setzt gegen PSG im Gegensatz zum Spiel in London wieder auf sein gewohntes 4-2-3-1. So gross allerdings kann der Einfluss der taktischen Grundausrichtung gar nicht sein, denn auch in Paris spielt der FCB situationsbedingt mit fünf, teilweise gar mit sechs Verteidigern.

Was also hat er sonst noch geändert? Fischer brachte zwei neue Spieler: Matias Delgado und Serey Die, der Künstler und der Kämpfer. Oder wie Fischer nach der Niederlage sagt: «Man hat gesehen, wie wichtig die Mischung aus Spielkultur und Aggressivität ist.» Im Gegensatz zu London findet Basel in Paris viel besser in die Zweikämpfe, macht weniger technische Fehler, hat sogar einige geniale Momente. Wie zentral dabei die beiden so unterschiedlichen Führungsspieler sind, verdeutlichen Fischers Worte: «Die aggressive Art von Serey und die spielerische Klasse von Matí sind ansteckend. Gestern hat jeder gekämpft, sich reingehängt, alles gegeben. Zugleich waren wir aber auch ruhiger am Ball und trauten uns mehr als in London.»

Den Wahnsinn in den Augen

Für Serey Die war es nach rund zweijähriger Pause die Rückkehr auf die internationale Bühne. Gemeinsam mit dem anderen Mittelfeldpuncher, Taulant Xhaka, räumte er vor der Abwehr ab. Beide leben sie vom Kampf, doch der Ivorer ist in seiner Art ansteckender, peitscht seine Mitspieler viel mehr an. Allein sein starrer Blick schüchtert Gegner ein. In diesen Augen scheint der Wahnsinn zu leuchten.

Ganz anders, wenn man ihn vor sich hat. Verrückt ist da nur seine Frisur. Er spricht leise, die Augen senken sich immer wieder zu Boden. Es ist nicht bloss Niedergeschlagenheit, sondern eine gewisse Schüchternheit. Er sagt dann Dinge wie: «Uns hat vor allem das Glück gefehlt. Wir haben es versucht, aber es gelang einfach nicht. Und sie haben praktisch mit jeder Gelegenheit ein Tor erzielt.»

Noch sieht er sich selbst nicht bei 100 Prozent. Ein kleines Bisschen fehle noch. Trotzdem: Gegen Paris war er eine der prägenden Figuren, machte ein richtig gutes Spiel. Zufrieden? Serey Die zieht die Augenbrauen zusammen. Wie sollte er zufrieden sein, ohne einen einzigen Punkt? Da ist er wieder, der verbissene Kämpfer, der Mann mit dem unbedingten Siegeswillen.

Nur einmal lächelt er. Bei der Frage, ob sich bewusst gewesen sei, wer die Partie gegen Paris pfiff. Die Antwort ist einfach: der Deutsche Deniz Aytekin. Der Mann, der ihn in Sofia vor zwei Jahren beim Spiel gegen Ludogorets Rasgrad nach noch nicht einmal 20 Minuten mit Rot vom Platz stellte. Auf diesen Mann angesprochen, lächelt Serey Die und sagt: «Wir haben uns in der Bundesliga wieder getroffen, haben über all das gesprochen. Wir haben sogar die Trikots getauscht.» Serey Die ist ehrgeizig bis zur Verbissenheit. Nachtragend ist er nicht.

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