Presseschau

Aargauer Zeitung vom 01.10.2016

Der Schweizer Fussball und die Tigerente

Fussball · Nirgendwo auf der Welt ist die Meisterschaft langweiliger als in der Schweiz. Was bedeutet das für die Liga?

Jakob Weber

«Ich wär so gern in Panama», sagt der kleine Bär zum kleinen Tiger mit der Tigerente im berühmten Kinderbuch von Janosch und macht sich fortan auf die Suche nach dem unbekannten Land der Träume. So oder so ähnlich denken im übertragenen Sinn auch die gelangweilten Schweizer Fussballfans, denn in Panama ist der Kampf um die Tabellenspitze anders als hierzulande noch spannend.

Doch nicht in der höchsten Spielklasse Panamas – wo der Dritte Plaza Amador nach elf Spieltagen nur einen Punkt hinter dem Spitzenreiter Tauro liegt – nein, auf der ganzen Welt geht es im Meisterkampf spannender zu und her als bei uns in der Schweiz. 13 Punkte Vorsprung sind es, die der FC Basel auf seine Verfolger aus Bern, Lausanne und Lugano aufweist. Nach nur neun absolvierten Runden ist das absolut rekordverdächtig. Pro Spieltag macht der FCB momentan 1,44 Punkte auf seine Verfolger gut. Das ist und bleibt wohl für lange Zeit unerreicht.

Nach mindestens fünf Partien noch ohne Punktverlust sind weltweit ausser den Baslern nur noch AEK Larnaka (Zypern/15 Punkte), Bayern München (Deutschland/15), Manchester City (England/18), Feyenoord Rotterdam (Niederlande/21) und The New Saints (Wales/27). Doch anders als in der Schweizer Super League schwächeln in besagten Ländern die Verfolger nicht im selben Ausmass. Ausser in Wales, wo der Vorsprung der New Saints auf das zweitplatzierte Connah’s Quay immerhin schon acht Punkte beträgt, kann die Welt in den übrigen Ligen nach ein, zwei Runden schon wieder ganz anders aussehen.

«Halt, Stopp. In Norwegen ist es noch langweiliger. Da hat Rosenborg Trondheim doch schon 18 Punkte Vorsprung», mögen andere denken. Doch weil dort im Kalenderjahr gespielt wird und schon 25 Runden gespielt sind, hinkt der Vergleich. Geht es in der Super League im selben Stil weiter, betrüge der Vorsprung nach 25 Spielen satte 36 Punkte. Er wäre doppelt so gross wie jetzt in Norwegen und die Meisterschaft wäre bereits im März entschieden. Hochgerechnet hätte der FCB Ende Saison sogar 52 Punkte Vorsprung auf den nächsten Verfolger.

Mehr Teams, mehr Spannung?

Liga-CEO Claudius Schäfer nimmt die Situation gelassen: «Basel hat sich diesen Vorsprung über Jahre erarbeitet und ständig ausgebaut. Im Moment spielt der FCB sehr souverän und die Verfolger nehmen sich gegenseitig die Punkte weg.» Es sei nicht das Ziel der Liga, durch allfällige Modusänderungen dem FC Basel das Leben schwer zu machen. «Wir wollen keine Show, sondern einen Schweizer Meister, der über die ganze Saison gesehen das beste Team war», sagt Schäfer.

«Trotz der fehlenden Spannung im Meisterkampf verliert die Marke Super League nicht an Wert», versichert Schäfer, den vielmehr die rückläufigen Stadionbesucher beunruhigen: «Fehlende Spannung hat einen Einfluss auf die Zuschauerzahlen. Das bereitet uns Sorgen. Das müssen wir im Blick haben.»

Meisterrunden (im Frühjahr spielen nur noch die besten sechs Teams der Liga gegeneinander um den Titel d. Red.), wie sie zuletzt in Belgien oder Dänemark eingeführt wurden, oder Playoffs erzeugen zwar Spannung, sind aber für die Schweiz eher keine Lösung für die Zukunft. Zwischen den Zeilen ist zu hören, dass vielmehr die Grösse der Liga mittelfristig angepasst werden könnte. «Wenn wir in ein paar Jahren 16 bis 18 moderne Stadien in der Schweiz haben, müssen wir uns fragen, ob eine Ligagrösse von zehn Klubs noch sinnvoll ist», sagt Schäfer.

FCB-Trainer Urs Fischer will sich nicht in die Modus-Debatte einmischen, stellt aber klar: «Der Spielrhythmus in der Super League ist mit Sicherheit nicht so hoch wie in Frankreich oder in der Bundesliga.» Ein Fakt, der auf internationalem Niveau zu einem grossen Nachteil für den FC Basel wird. Denn das Umschalten von einem «Super-League-Stromspar-Modus» in einen «Champions-League-Power-Modus» ist alles andere als einfach und will gelernt sein. Luca Zuffi bringt das Dilemma auf den Punkt: «Man kann das, was einen in der Champions League erwartet, ja so nicht üben», sagt der Mittelfeldregisseur nach der Niederlage gegen Arsenal. Und auch Fischer wird festgestellt haben, dass sein Taktik-Training unter Matchbedingungen gegen Lausanne seine Spieler nur ungenügend auf die Aufgaben in London vorbereitet hat.

Vorzeitige Gratulation

In der Gegenwart trifft der Schweizer Meister heute im St.-Jakob-Park auf das Schlusslicht Thun. Sollte sich der FCB erwartungsgemäss keine Blösse geben, wächst der Vorsprung auf die Verfolger - die alle erst am Sonntag spielen und sich auch noch gegenseitig weiter die Punkte klauen – zumindest für eine Nacht weiter an. Zum Ende der letzten Saison betrug der Vorsprung auf den Zweiten YB 14 Zähler. Nun schickt sich der FCB an, diese Marke bereits heute zu übertreffen. Auch wenn Fischer nichts von vorzeitigen Gratulationen hält: Diese wären dann schon bald angebracht. Gähnende Langeweile ist vorprogrammiert. Höchste Zeit also, den Blick träumend gen Panama zu richten. Da spielt Plaza Amador morgen gegen Tauro. Der Gewinner ist Leader.

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