Presseschau

Basler Zeitung vom 20.04.2016

Schon der Anlauf kann sich lohnen

Ob Durchbruch oder nicht: Ein Profieinsatz beim FCB öffnet einem Nachwuchsspieler Türen

Von Oliver Gut

Basel. Vielleicht ist Cedric Itten ja der Nächste. Ein Spieler aus der rotblauen Nachwuchsabteilung, der sich bei den Profis auf Anhieb durchsetzt und zur fixen Grösse wird. Die ersten Schritte dazu hat er bereits getan: Itten ist mehrmals zum Einsatz gekommen und hat dabei ansprechende Leistungen gezeigt.

Bestimmt wäre Cedric Itten eine Rarität, sollte ihm dies auf direktem Weg gelingen. Denn das schaffen nur die wenigsten Junioren, die bei den FCB-Profis zum Einsatz gelangen. Seit 2009, dem Beginn der Meisterserie, gibt es nur drei Spieler, welche diesen Status ohne Umwege erreicht haben: Xherdan Shaqiri. Granit Xhaka. Breel Embolo.

Nirgendwo sonst in der Schweiz ist es für einen Junioren schwieriger, den Durchbruch zu schaffen, als beim FCB. Weil nirgends die Konkurrenz bei den Profis grösser ist. Für Itten bedeutet das konkret: Im Sturmzentrum stehen ihm aktuell Marc Janko und Breel Embolo im Weg. Der eine ist Stammspieler in Österreichs Nationalmannschaft. Der andere zwar kaum älter als Itten, aber ein riesiges Talent auf dem Weg zum Rekordtransfer der Clubgeschichte. Und ebenfalls bereits Nationalspieler.

Hohes Level

Ausserdem wäre da noch Andraz Sporar, slowenischer Internationaler und hochgelobtes Talent. Dass er lange ausfällt, führte im Winter überhaupt erst dazu, dass Itten regelmässig mit den Profis trainieren durfte. Dessen erste längere Einsätze gegen den FCZ, Lugano und St.?Gallen hingen auch damit zusammen, dass Janko sich ebenfalls verletzte und Embolo gesperrt war.

Geht es um den Sturm, ist die Dichte an starken Spielern aktuell enorm hoch. Aber schwierig ist es überall, eine Chance zu erhalten. Inzwischen gibt es beim FCB keine Position mehr, die nicht mit aktuellen oder ehemaligen Nationalspielern besetzt werden kann. Mehr noch: Neben dem argentinischen Champions-League-Sieger Walter Samuel und dem schwedischen Altmeister Behrang Safari lässt sich eine Startelf bilden, die nur aus EM-Teilnehmern besteht. Im Tor steht Tomas Vaclik (Tschechien), davor verteidigen neben Samuel und Safari der Tscheche Marek Suchy sowie der Schweizer Michael Lang. Das defensive Mittelfeld besetzen Taulant Xhaka (Albanien) und Luca Zuffi (Schweiz), die Flügel Embolo und Renato Steffen (Schweiz) oder Birkir Bjarnason (Island). Und zuvorderst spielt Janko. Immerhin: Einen gibt es noch, der meist spielt, aber noch nie für die A-Nationalmannschaft seines Landes aufgelaufen ist. Allerdings handelt es sich dabei um den Basler Captain und argentinischen Spektakelmacher Matias Delgado.

Häufiger Vorwurf

«Das Level der ersten Mannschaft ist unglaublich hoch», sagt Adrian Knup, der als Vizepräsident des FC Basel im Verwaltungsrat sitzt und dort für den Nachwuchs verantwortlich ist. Er versteht dies jedoch nicht als Problem, sondern als Herausforderung. «Unser primäres Ziel bleibt es, die Junioren so auszubilden, dass jedes Jahr einige den Sprung ins Kader schaffen und sich auch immer mal wieder einer festsetzt.» Es gelte nicht, das Rad neu zu erfinden. Sondern es stets zu verbessern, um den erhöhten Anforderungen des Fussballs und eines Vereins mit dem Anspruch des nationalen Leaders und internationalen Players gerecht zu werden. «Wir investieren in Infrastruktur, Ausbildner und Methodik, wobei wir uns an der Weltspitze orientieren. Und wir verfeinern auch stetig das Scouting-System, damit wir die Talente noch besser erfassen.»

Eine gangbare Alternative gibt es nicht, wenn man beim FC Basel mehr Nachwuchsspieler in den Stamm der Profis bringen will. «Wäre es unser Anspruch, jedes Jahr einen Platz zwischen eins und vier zu belegen, hätten es die Jungen einfacher. Aber das kann nicht unser Ziel sein», sagt Knup.

Dass die Juniorenabteilung des FC Basel funktioniert, misst sich aber nicht nur an den Shaqiris und Embolos. An einem Yann Sommer, Fabian Frei oder Taulant Xhaka, die sich erst nach einer Ausleihe bei den Profis durchsetzen. Sondern auch daran, wie die weitere Karriere eines Spielers verläuft, der sich beim FCB nicht durchgesetzt hat. Dies ist immer die Mehrheit – auch unter jenen, die es zu Einsätzen bei den Profis gebracht haben. Acht Spieler, die seit 2009 einen Anlauf genommen haben, spielen nun in der Super League oder wie Arlind und Albian Ajeti sowie Darko Jevtic im Ausland in der höchsten Spielklasse. Weitere sechs in der Challenge League. Und nur drei Namen finden sich, die man nicht mehr als Berufsfussballer bezeichnen kann (siehe Box).

Der Sprung zur wichtigen Kraft bei den Profis mag ein grosser sein – doch bereits der Anlauf kann sich lohnen. Wer einmal für den Schweizer Meister auf dem Platz gestanden ist, hat gute Chancen auf eine ordentliche Karriere, auch wenn er sein Glück anderswo versuchen muss. «Wenn ein junger Spieler für den FCB gespielt hat, öffnen sich ihm wohl mehr Türen, als wenn er sein Profidebüt anderswo gegeben hat», vermutet Knup. Anders gesagt: Wer beim FCB ausgebildet wurde und Teil der Profis war, ohne richtig zu reüssieren, wird von vielen anderen Clubs als gut genug eingestuft, um bei ihnen eine wichtige Rolle spielen zu können.

Der häufig gehörte Vorwurf, die Nachwuchsspieler erhielten beim FCB keine richtige Chance, ist bekannt. «Ich habe auch den Eindruck, dass es schwieriger geworden ist», sagt Georg Heitz zwar. Der Sportdirektor des FCB glaubt aber, dass man sich bei dieser Annahme von der Ausnahmekonstellation in der Saison 2011/2012 blenden lässt, in der mit den Routiniers Marco Streller, Alex Frei, Benjamin Huggel und Philipp Degen sowie den jüngeren Shaqiri, Sommer, Stocker, Xhaka und Frei sehr viele Spieler mit Basler Hintergrund oder FCB-Ausbildung im Kader gut genug für die Startelf waren.

Nächster Schritt

Er entkräftet den Vorwurf nicht nur mit dem Verweis darauf, dass es noch nicht lange her ist, dass mit Embolo der Nächste den Durchbruch geschafft habe. Oder dass Taulant Xhaka inzwischen eine zentrale Rolle spiele. Sondern auch mit einem Verweis auf die Vergangenheit: «Werfen wir mal einen Blick auf die Saison 2001/2002, dem ersten Basler Meistertitel der neueren Zeitrechnung», schlägt er vor. Um dann festzustellen: «Im Kader standen mit Philipp Degen und Massimo Ceccaroni zwei Spieler, von denen behauptet werden kann, dass sie beim FCB ausgebildet wurden und sich hier durchsetzten.»

Es ist letztlich also vor allem die Logik des hohen Niveaus, die dazu führt, dass die Hürden bei einem Topclub höher sind. Dafür lässt sich mit Blick auf die letzten sechs Jahre sagen: Wer beim FCB den grossen Sprung vom Junior zum Fixstarter bei den Profis geschafft hat, für den ist der nächste Schritt fast schon gemacht: Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Yann Sommer, Valentin Stocker und Fabian Frei haben alle schon für die Nationalmannschaft gespielt und sind in einer ausländischen Liga engagiert – also dort, wohin Breel Embolo unterwegs ist und ihm Taulant Xhaka folgen könnte.

Und wer weiss, vielleicht ist Cedric Itten ja wirklich der Nächste. Die ersten Schritte hat er getan. Der Sprung bleibt aber trotzdem noch ein grosser.

Ehemalige FCB-Junioren, die es geschafft haben

Wer es seit 2009 direkt geschafft hat:

Xherdan Shaqiri (Stoke City, Premier League)

Granit Xhaka (Mönchengladbach, Bundesliga)

Breel Embolo

Wer es via Ausleihe geschafft hat:

Yann Sommer (Mönchengladbach, Bundesliga)

Fabian Frei (Mainz 05, Bundesliga)

Taulant Xhaka

Wer es nicht geschafft hat, aber aktuell auf höchstem nationalen Level spielt:

Arlind Ajeti (Frosinone Calcio, Serie A)

Albian Ajeti (FC Augsburg, Bundesliga)

Darko Jevtic (Lech Posen, Ekstraklasa/Pol)

Pascal Schürpf (FC Vaduz, Super League)

Oliver Klaus (FC Vaduz, Super League)

Marco Aratore (FC St. Gallen, Super League)

Roman Buess (FC Thun, Super League)

Sandro Wieser (FC Thun, Super League)

Wer in der Challenge League sein Auskommen hat:

Admir Seferagic (FC Schaffhausen)

Simon Grether (FC Winterthur)

Simon Dünki (FC Wohlen)

José Michael Gonçalves (FC Wil)

Adonis Ajeti (FC Wil)

Janick Kamber (FC Biel)

Wer weiter unten oder gar nicht spielt:

Serkan Sahin (BSC Old Boys, Promotion League)

Dominik Ritter (SC Binningen, 2. Liga inter)

Stjepan Vuleta (unbekannt)

Erläuterung: Aufgeführt sind Spieler, die im Nachwuchs ausgebildet wurden und ab 2009 in der Profimannschaft den Durchbruch schafften – oder aber ihr Wettkampfdebüt gaben, ohne zu reüssieren. Es fehlen Spieler, die noch immer beim FCB unter Vertrag stehen – mit Ausnahme von Breel Embolo und Taulant Xhaka, die tragende Rollen bei den Profis einnehmen.

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