Presseschau

Basler Zeitung vom 06.10.2015

Was ist mit dem FCB-Nachwuchs los?

Die U21 des FC Basel ist so schlecht klassiert wie nie zuvor – Gründe dafür gibt es einige

Von Nicolas Lurati und Dominic Willimann

Basel. Urs Fischer kann der Nationalmannschaftspause völlig entspannt entgegenblicken. Sein Team, die erste Mannschaft des FC Basel, führt die Tabelle der Super League souverän an, steht im Cup im Achtelfinal und überzeugt auch in der Europa League.

Ganz anders ist die Gefühlslage bei Thomas Häberli, dem Trainer der Basler U21: Dessen Schützlinge liegen nach einem Drittel der Meisterschaft auf dem 16. und letzten Rang der Promotion League, der dritthöchsten Spielklasse. Zuletzt verlor die Basler Reserve gar fünfmal in Serie – etwas, das es in den letzten Jahren noch nie gegeben hatte.

Die Situation im Farmteam ist damit kritisch. «Die U21 ist die wichtigste Mannschaft im Ausbildungsbereich», sagt FCB-Nachwuchschef Massimo ­Ceccaroni. «Ein Abstieg wäre ein Rückschritt.» Gewiss, das oberste Ziel einer U21 ist das Verfolgen des Ausbildungsgedankens, das Schleifen der Talente. Doch ist die Tabellensituation derart misslich wie momentan, rückt die Ausbildung für kurze Zeit in den Hinter-, und die Platzierung in den Vordergrund. Denn werden die jungen Fussballer nicht auf höchstmöglichem Niveau gefordert und gefördert, kann auch nicht das Einhalten des Ausbildungsgedankens gewährleistet werden.

Die Sache mit den Abwesenden

Doch wie kam es überhaupt so weit, dass sich die Basler U21 in den Tiefen des Klassements wiederfindet? Wurde nicht die aktuelle Ausgabe des rotblauen Nachwuchses als eine besonders talentierte gelobt, der Jahrgang 1997 gar als ein goldener angepriesen? «Fussball spielen kann jeder, keine Frage», sagt Ceccaroni. Erschwerend für das Funktionieren der Mannschaft ist aber, dass Häberli seit dem Saisonstart praktisch nie über längere Zeit mit dem kompletten Kader trainieren kann, da das Gros seiner Spieler Nachwuchs-Nationalmannschaften angehört. In diesen Tagen muss Häberli auf sieben Akteure verzichten, zuweilen sind es aber auch bis zu zwölf, die in den Junioren-Auswahlen engagiert und dort Leistungsträger sind.

So fehlen etwa Samuele Campo, Charles Pickel, Arxhend Cani, Cedric Itten, Neftali Manzambi oder Nicolas Hunziker in beinahe jeder Nationalmannschaftspause. Alles Teamstützen in Häberlis Equipe. So soll es vorkommen, dass Angreifer wie Itten schon lange nicht mehr die Gelegenheit hatten, an den FCB-internen Stürmertrainings teilzunehmen. Verständlich, dass durch diese Absenzen keine Automatismen eingeübt werden können. Und trotzdem waren die Darbietungen der U21 des FCB in dieser Saison nicht schlecht. Oft dominierte Rotblau das Geschehen, hatte mehr Spiel­anteile. Doch unerklärliche Phasen der Schläfrigkeit brachten die Basler jeweils in die Bredouille.

Am Samstag etwa reichten der U21 des FC Sion zehn Minuten, um dem FCB den K.-o.-Schlag zu versetzen. Drei Tore erzielten die Walliser in diesem Zeitraum. Gegen St. Gallen war es ein siebenminütiges Blackout mit ebenfalls drei Gegentreffern, das die Niederlage der U21 besiegelte. In beiden Fällen bewies Basel Moral, erzielte noch zwei Tore, für ein Herumreissen des Ruders reichte es jedoch beide Male nicht. Immerhin ist dies ein Indiz dafür, dass es an Engagement nicht fehlt.

Die Sache mit den Standards

Ein weiteres Defizit sind die vielen einfachen Gegentore, die das Team oftmals kassiert. Beim 0:4 im Stadtderby gegen die Old Boys hatte Gelbschwarz kaum mehr als eine Handvoll Chancen, erzielte aber vier Treffer, während sich Rotblau abmühte, spielerisch gute Akzente setzte – und dennoch in der gegnerischen Zone kaum Zählbares zustande brachte.

Auch bei Standards herrscht beim Vorjahres-Elften oft Alarmstufe rot. «Die U21 erhält zu viele Tore auf stehende Bälle», sagt Ceccaroni. Deshalb müsse eine brenzlige Spielsituation auch mal mit einem Ballwegschlagen entschärft werden. «Es ist jetzt notwendig, dass resultatorientiert agiert – und nicht der schöne Pass oder das tolle Dribbling gesucht wird», fordert die FCB-Legende deutlich.

Giuseppe Morello soll seinen Beitrag dazu leisten, dass derartige Situationen in Zukunft besser gemeistert werden können. Der bald 30-jährige Angreifer wurde vor Wochenfrist vom BSC Old Boys wegverpflichtet, um der U21 Stabilität und Routine zu verleihen. Auch wenn durch diese Anpassungen der Ausbildungsgedanke kurzfristig ausgeblendet wird.

Die Sache mit der Erfahrung

Weitere personelle Veränderungen im Kader seien nicht ausgeschlossen, sagt Ceccaroni. Die Mannschaft, deren Leistungsträger 18-jährig sind, könne von Arrivierten profitieren. Das mache sich bemerkbar, wenn Spieler aus dem Fanionteam – wie zuletzt Ivan Ivanov – bei der Reserve aushelfen. Möglich also, dass weitere Kräfte aus Fischers Ensemble künftig den Nachwuchs unterstützen. Allerdings dürfen in U-Mannschaften pro Partie gemäss Reglement nicht mehr als drei Spieler auf dem Matchblatt stehen, die älter als 21 sind.

Kein Thema beim FC Basel ist die Personalie Häberli, der die U21 im dritten Jahr trainiert. «Die Frage nach dem Trainer stellt sich nicht. Es ist der Vorteil einer Ausbildungsmannschaft, dass nicht der Coach zur Diskussion steht. Vielmehr ist es jetzt meine Aufgabe als Nachwuchschef, in dieser schwierigen Situation zu helfen», sagt Ceccaroni, der zurzeit die U21 seines Vereins intensiver als sonst begleitet. Im Wissen, dass nun bis im Winter alle Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen, damit das Aushängeschild der rotblauen Nachwuchsarbeit wieder ins richtige Licht gerückt wird.

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